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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben
Autoren: N Förg
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gab es Postkarten mit
Hundefotografien, jeder der Hunde sah direkt in die Kamera. Große Augen, viel
zu große Augen. Auf diesen Postkarten waren Zitate schlauer Menschen
abgedruckt.
    »Das Mitgefühl mit allen Geschöpfen ist es, was
Menschen erst wirklich zum Menschen macht.«
    Albert Schweitzer (ev. Theologe, Arzt u. Philosoph, 1875–1965)
    »Wir schenken unseren Hunden ein klein wenig Liebe
und Zeit. Dafür schenken sie uns restlos alles, was sie zu bieten haben. Es ist
zweifellos das beste Geschäft, das der Mensch je gemacht hat.«
    Roger Andrew Caras (1928–2001, Präsident des britischen Tierschutzvereins)
    »Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation
kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt.«
    Mahatma Gandhi
    Es war nicht gut um den Fortschritt bestellt, dachte
Gerhard bitter. Nicht gut um diese Nation bestellt, wenn er das Massaker da
draußen bedachte. Gerhard begann durch die anderen Räume zu streifen: Küche
todschick, die Speis’ nur spärlich gefüllt, ein Wohnraum: pure Chrommoderne
inmitten alter Mauern. Dann eine Art Wintergartenanbau, der als Atelier diente.
Die Bilder auf den Staffeleien waren schreiend bunt, sie waren schrill, laute
Bilder, nichts, was Gerhard auch nur eine Sekunde zu lang hätte betrachten
wollen.
    Im Obergeschoss gab es fünf Zimmer, zwei waren zu
Abstellräumen verdammt, zwei waren Schlafzimmer, auch hier teures Mobiliar, und
ein Raum diente als begehbarer Kleiderschrank. Im Gegensatz zur leeren Speis’
war das hier mehr als opulent. Jede Boutique war weniger gut sortiert, und auch
wenn Gerhard nun kein Spezialist für Damenoberbekleidung war – das Zeug sah
teuer aus. Spätestens hier, in diesem Raum, verdichtete sich eine vage Idee zur
Gewissheit. Hier hatte jemand alles durchwühlt, ein anderer hatte wieder
aufgeräumt. Aber so, als wäre er in großer Eile gewesen, so aufgeräumt, dass es
nicht gleich ins Auge stach, dass hier Vandalen gehaust hatten.
    Von unten war eine Stimme zu hören. »Herr Weinzirl,
ich wär’s dann.«
    »Komme.«
    Gerhard löschte die Lichter und stapfte die Treppe
hinunter. Eicher stand im Gang, irgendwie verloren unter den Halogenstrahlern.
    »Haben Sie?«, fragte Gerhard.
    Er nickte. »Ja, ich hab noch ein kleines Kreuz, ich
mein … ich bin sonst nicht so, in der Landwirtschaft verrecken dauernd Viecher
…« Er brach ab.
    Gerhard verstand ihn, verstand ihn zu gut. »Können wir
uns irgendwo setzen?«
    »In Moritz’ Büro?«, fragte Eicher, der sich im Haus
sichtlich unwohl fühlte.
    »Sicher. Kann man hier irgendwie absperren?«, fragte
Gerhard.
    »Ziehen Sie einfach zu, das ist ein
Sicherheitsschloss. Die Frau Eisele hat auch ‘nen Schlüssel, das ist die Frau,
die im Sanka …«
    Eicher neigte dazu, seine Sätze nicht zu beenden, aber
warum sollte er auch, es war ja alles gesagt, was als Info nötig war. Draußen
war es stockdunkel, ein Bewegungsmelder tauchte den Hof ebenfalls in gleißendes
Licht.
    »Ganz schön viel Sicherheitsbedürfnis«, meinte
Gerhard.
    »Sie hatte wenig Freunde. Aber diese Sauerei hat sie
auch nicht verhindern können. Da huift koa Stacheldraht ned«, brummte Eicher.
    Gerhard war Eicher gefolgt; eines der Nebengebäude war
so eine Art Kommandozentrale: Computer, Fütterungslisten für die Tiere, es gab
einen Lagerraum für Futter, fast eine kleine Metzgerei, wo Frischfutter
zubereitet wurde, alles nur vom Feinsten. Eicher hatte aus dem Kühlschrank zwei
Bier von der Aktienbrauerei Kaufbeuren geholt. Dieselross hieß das Bier mit
Bügelverschluss.
    »Passt zu Ihrem Käppi«, meinte Gerhard.
    »Sie kennen sich mit Bulldogs aus?« Eicher strahlte.
    »Na ja, mein Onkel sammelt Veteranen, er hat ein Fendt
Dieselross, einen alten Aicher, einen Allgeier und ‘nen 52er Kramer mit
Schwungrad.«
    Nachdem die beiden eine Weile über Traktoren
geplaudert hatten, nachdem sich eine gewisse konzentrierte Ruhe über Gerhard
gesenkt hatte, hob er an: »Sie sagten, sie hätte wenig Freunde. Sie?«
    »Ja, die Frau Pfaffenbichler, der gehört das Ganze.«
Und nach und nach erfuhr Gerhard, dass Frau Pfaffenbichler wohl sehr vermögend
war und »Zeit hatte für Gekrakel und das Ehrenamt«. Aus jedem anderen Mund
hätte das gehässig geklungen, bei Eicher hörte sich das völlig neutral an. Frau
Pfaffenbichler war Künstlerin, hatte diesen Hundeschutzhof initiiert,
beschäftigte Tierpfleger Moritz und hatte in der Zweiten Vorsitzenden des
Vereins Erika Eisele wohl eine Art rechte Hand.
    »Die
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