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Hundeleben

Titel: Hundeleben
Autoren: Wolfgang Zander
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sicher die Geschichte mit den Genen.«
    »Was?«
    »Der Homo sapiens hat 20.000 bis 25.000 Gene. Er spielt damit in einer Liga mit dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans . Die Ackerschmalwand, dir sicher unter dem Namen Arabidopsis thaliana oder auch Unkraut bekannt, hat dagegen 27.000 Gene. Deprimierend, findest du nicht?«
    Proll holte nicht mal sein Grinsen raus. Die schlechten Nachrichten mussten besonders schlecht sein.
    »Na schön«, sagte ich. »Spaß beiseite.«
    »Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest.« Ein kleines Grinsen flackerte in Prolls Mundwinkeln auf, brach aber augenblicklich wieder in sich zusammen.
    »Dieser Stuhl ist ein Foltergerät. Du solltest deine Gäste mit etwas mehr Respekt behandeln.«
    » Mmmh …« Ich machte jetzt auf einsilbig. Er war am Zug.
    »Also schön. Kommen wir zur Sache.«
    »Brandstiftung?«, fragte ich.
    »Woher weißt du das?«
    »Wärst du sonst hier?«
    »Wie scharfsinnig, Herr Privatdetektiv.«
    »Ja …«
    »Hauptverdächtiger Gass , erzählen Sie mir, was vor zwei Tagen passiert ist.«
    Er wurde amtlich, also erzählte ich ihm alles. Jedenfalls zu 90 Prozent. Die zehnprozentige Rettungstat ließ ich unerwähnt. Ich wusste, dass er mir die Geschichte ohnehin nicht glauben würde. Privatdetektiv als Lebensretter. So was kam in seinem Universum nicht vor. Ehrlich gesagt, langsam glaubte ich selbst kaum noch daran. Wahrscheinlich hatten mir die verrauchten Träume einen Streich gespielt. In der Ferne sah ich einen Analytiker winken. Ich winkte nicht zurück.
    »Schön«, sagte Proll . »Bleibst du dabei oder willst du mir auch noch die Wahrheit erzählen?«
    »Das ist die Wahrheit!«
    »Du bemerkst den Qualm. Rennst nach unten, um das Haus zu verlassen, stellst auf dem Hof fest, dass du ein paar wichtige Papiere und deine Kreditkarte vergessen hast, rennst wieder nach oben, schnappst dir die Papiere, machst dich erneut auf den Weg und wirst schließlich kurz vor dem Ziel ohnmächtig. Ist das in etwa deine Geschichte?«
    »Ja.«
    »Da waren keine Papiere.«
    »Dann muss sie jemand …«
    »Hör auf! Wie viel Geld hast du auf dem Konto?«
    »Bankgeheimnis.«
    »Bist du jemandem begegnet?«
    »Nein.«
    »Hast du jemanden gesehen?«
    »Nein.«
    »Willst du deine Akten wiederhaben?«
    »Nein … Was?«
    Er hatte sein Grinsen wieder angeknipst. Gleich auf Stufe drei.
    »Du verdammter …«
    »Möchtest du eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung riskieren?« Stufe vier.
    »Wo sind sie?«
    »Meinst du die Akten?«
    »Wen sonst!«
    »Die Mann-Geschichte liest sich toll. Endlich sehe ich durch. Und auch dein neuer Fall ist nicht zu verachten.«
    Ich kochte innerlich. Natürlich sah Proll mir das an. Eiskalte Gelassenheit wäre die richtige Antwort gewesen. Leute wie Marlowe oder Spade hätten die Situation sicher mit der Idealpunktzahl bewältigt. Ich dagegen war nur ein Mensch. Für mich war das eine das Wissen und das andere die Umsetzung.
    Ich holte tief Luft. Dann noch einmal. Schließlich fand ich ein paar passende Worte.
    »Ohne mich hättest du doch keinen deiner Fälle auf die Reihe gekriegt«, hörte ich mich sagen. »Jetzt musst du dir auch noch den Mann-Fall erklären lassen. Was halten deine Vorgesetzten eigentlich von deiner Aufklärungsquote?«
    Sein Lächeln verblasste wie das Licht einer Straßenlaterne zwei Stunden nach Sonnenaufgang.
    »Du stolperst von einem Haufen in den nächsten. Aber das nächste Mal hole ich dich nicht raus. Ich warte, bis du in der Scheiße erstickst. Und dann …«
    Er ließ die Schlussfolgerung genüsslich offen. Ich dachte mir meinen Teil. Außerdem fragte ich mich, was er mit ›das nächste Mal hole ich dich nicht raus‹ meinte. Er hatte mich noch nie irgendwo rausgeholt. Ich kramte mein Gedächtnis durch. Nein. In dieser Hinsicht funktionierte mein Gedächtnis besonders gut.
    »Die Akten«, sagte ich und streckte auffordernd die Hand aus. Nichts kann mich schneller abkühlen als die Überhitzung eines Gegners. Proll lief heiß, ich wurde eiskalt.
    Er warf mir einen Stapel Papier vor die Füße. Ich wurde dreist.
    »Darf ich fragen, warum du sie entwendet hast?«
    »Entwendet. Ich?« Nanu, er wurde ganz zahm. »So siehst du das also.«
    Er stand auf, beugte sich über den Schreibtisch. Er schob sein Gesicht bis auf drei Zentimeter an das meine heran. Viel zu nah für einen einsamen Wolf wie mich. Ich wurde nervös, wich jedoch keinen Millimeter zurück.
    »Ja. So sehe ich das. Genau so.«
    »Wenn du meinst,
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