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Hundeleben

Titel: Hundeleben
Autoren: Wolfgang Zander
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gehandelt?«
    »Ich handle meist in eigener Sache.«
    »Weshalb haben Sie den Brand gelegt?«
    »Ich habe den Brand nicht … Wie kommen Sie darauf?«
    »Sie wurden gesehen.«
    Endlich wurde es interessant.
    »Von wem? Und wo? In der Brandenburger Straße, bei Kaiser’s oder im Dönergrill gegenüber? Wer will, kann mich ständig sehen, sogar sprechen. Besonders während der Büroöffnungszeiten.«
    »Sie wurden hier im Kino gesehen.«
    »Klar. Wahrscheinlich vom Brandstifter.«
    Plötzlich kam mir eine Idee, wie ich sie kriegen konnte.
    »Sie jedenfalls können mich nicht gesehen haben. Sie waren bereits ohnmächtig, als ich Sie rausholte.«
    Nachdenkliche Stille. Selbst der Hund hielt den Atem an. Vielleicht würde das Vieh ja ersticken.
    »Sie wissen doch gar nicht, wer ich bin.«
    Na bitte!
    »Jetzt schon. Ich habe Ihnen das Leben gerettet! Und Sie lassen mich rumstehen wie einen Idioten.«
    »Sie lügen. Ich weiß, wer mich gerettet hat.«
    Jetzt wurde es interessant.
    »Ach ja. Wer denn?«, fragte ich.
    »Sie bestimmt nicht!«
    »Ich habe Sie über die Mauer gehievt. Unter Einsatz aller verfügbaren Kräfte. Wie viel wiegen Sie? 55 oder 60 Kilo? Wahrscheinlich hat die frische Brise im Durchgang sie wieder auf die Beine gebracht. Laut Polizei jedenfalls war ich allein, als man mich rausholte. Und warum sollte die Polizei …«
    Das Licht ging aus. Es war jetzt stockdunkel. Ich tastete mich nach vorn. Die Taschenlampe ließ ich stecken. Zwar konnte ich nichts sehen, aber ich konnte so auch nicht gesehen werden. Ich wollte es dem Hund nicht zu leicht machen, Frauchen schon gar nicht.
    Die Saaltür ging auf. Ich versteckte mich in einer der angekohlten Stuhlreihen und wartete.
    »Kommen Sie raus!« Ich hob leicht den Kopf. Sie stand in der Tür. Nietzsche war bei ihr. Verdammt. Er war nicht erstickt.
    Ich duckte mich.
    »Ich hasse Nietzsche!«
    »Warum sagen Sie es ihm nicht selbst? Nun kommen Sie schon.«
    War dies das Ende des Albtraums oder erst sein Anfang? Fakt war, die Saaltür stand offen. Das sah nach Waffenstillstand aus. Ich musste es riskieren. Ich ging nach draußen. Alles schien friedlich. Nietzsche schnupperte an einer Hofecke herum und hob endlich in stiller Zufriedenheit sein Bein. Bei Lichte betrachtet sah er aus wie ein normaler, fast durchschnittlicher Hund. Frauchen saß auf einer Bank und schaute ihm neugierig zu.
    »Er ist zwölf Jahre alt und hat kaum noch Zähne«, sagte sie. »Aber knurren, das kann er noch.«
    Ich nickte beifällig.
    »Danke«, sagte sie.
    »Wofür?«
    »Haben Sie mich nun raus geschleppt oder nicht?«
    »Wissen Sie, ich denke …«
    »Nietzsche!« Nietzsche reagierte sofort. Mit einem furchterregenden Knurren.
    »Ja. Ja. Ja. Ja. Wie haben Sie es geschafft, so schnell wieder munter zu werden? Ich habe zwei Tage gebraucht.«
    Sie schien meine Frage nicht gehört zu haben. Sie starrte zum Foyer hinüber. Tränen traten in ihre Augen.
    »Und warum …« Sie schnäuzte sich. »Warum haben Sie das Kino angesteckt?«

9
    Nach etwa einer Stunde war ich aus dem Kino zurück. Es kam mir vor, als sei ich Tage weg gewesen.
    Beate, so durfte ich meine neue Nachbarin jetzt nennen, hatte mir von ihren Träumen erzählt. Schon als Kind habe sie Kinos abgöttisch geliebt, die Dunkelheit, den besonderen Geruch, dieses ›Aus-der-Welt-Sein‹. Mit ›Endstation Sehnsucht‹ und Marlon Brando sei sie endgültig in die Kintoppwelt gerutscht. Immer tiefer habe sie sich in die Geschichten der laufenden Bilder verstrickt. Manchmal war es ihr so vorgekommen, als würde sie selbst in einem Film leben.
    Sie hatte lange Jahre in den verschiedensten Lichtspieltheatern ihrer schwäbischen Heimat gejobbt. Irgendwann erwachte in ihr der Wunsch, selbst ein Kino zu führen. Leider fand sich kein geeignetes Objekt. Die Liebe zu einem Potsdamer verschlug sie schließlich in diese Stadt. Die Liebe verging und Beate beschloss, die Stadt wieder zu verlassen. Die Leute hier, so Beate, seien mürrisch, rückwärtsgewandt, politisch unbedarft und lebten in einer Art cineastischer Barbarei. Die Potsdamer seien nicht besser und nicht schlechter als die Leute anderswo, hatte ich vehement dagegen gehalten. Man müsse ihnen nur die Chance geben, ihre guten Seiten auch zeigen zu dürfen. Dazu hatte Beate nichts mehr gesagt.
    Gerade als sie den Entschluss, Potsdam den Rücken zu kehren, in die Tat umsetzen wollte, wurde das ›Melodie‹ zur Vermietung ausgeschrieben. Sie bewarb sich, ›Nur mal so‹, O-Ton Beate,
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