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Hundeleben

Titel: Hundeleben
Autoren: Wolfgang Zander
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Schloss. Jemand hatte mich eingesperrt. Ich hämmerte mit den Fäusten gegen das Holz.
    »He, ist da jemand? Hallo?« Von der anderen Seite kam keine Antwort. »Mein Name ist Siegfried Gass . Ich wohne im Haus nebenan. Machen Sie auf. Sie haben den Falschen erwischt.«
    »Aber natürlich, es sind immer die Falschen, die man erwischt.« Die Stimme, es war die Stimme einer Frau, kam von oben. Oben, das war der Rang. Er schien unversehrt zu sein, zumindest betretbar.
    »Gehen Sie vor zur Bühne! Stellen Sie sich in das Licht.«
    Ein Spot ging an und entriss ein kreisrundes Stück Kino der Dunkelheit.
    »He, Sie machen einen großen Fehler.« Ich versuchte es mit einem Appell an die Menschlichkeit. »Sie können mich hier nicht einfach so festhalten. Das ist Freiheitsberaubung.«
    »Ja, das ist es.«
    Klar. Appelle werden zwar gern ausgeteilt, vor allem von Personen in misslichen Situationen, aber sie werden fast nie erhört. Niemand ist so dumm, oder sollte man sagen so klug, einen Vorteil freiwillig herzugeben, selbst wenn der Vorteil sich letztendlich als wenig vorteilhaft erweist. Häufig kommt die Erkenntnis des wahren Vorteils jedoch viel zu spät. Meist erst nach der Katastrophe. Die Zuspitzung einer solchen Situation nennt man Tragödie. Ich musste die Zuspitzung verhindern. Aber wie? Reden. Den Dialog pflegen, das ist der Königsweg. Nur Leute, die nicht miteinander sprechen, fangen irgendwann an, aufeinander einzuschlagen.
    »Was wollen Sie von mir?«, schrie ich nach oben.
    »Was wollen Sie von mir ?«, kam es zurück.
    Gute Replik. Was wollte ich von ihr? Ich stellte mich in den Lichtkegel, zog den Bauch ein und versuchte, so harmlos wie möglich auszusehen.
    »Ich will nichts von Ihnen. Ich wollte mir nur ein Bild machen. Ich wusste ja nicht, dass jemand hier ist. Wer sind Sie überhaupt? Etwa der neue Betreiber, sorry , die neue Betreiberin?«
    Bevor man sich auf einen Dialog einlässt, muss man sich darüber informieren, mit wem man es zu tun hat. Diese Regel sollte man unbedingt beherzigen. Sie bewahrt einen davor, dem falschen Gesprächspartner das Richtige, also das Falsche, zu erzählen.
    Meiner Dialogpartnerin schienen meine Überlegungen egal zu sein.
    »Das geht Sie einen feuchten Dreck an. Also, was suchen Sie hier?«
    »Ich suche nach Antworten auf ein paar Fragen«, sagte ich wahrheitsgemäß.
    »Fragen Sie.«
    »Was?«
    »Sie sollen fragen.«
    »Also.«
    »Das ist keine Frage«, kam es von oben.
    »Wer sind Sie?«
    »Nächste Frage.«
    »Was machen Sie hier?«
    »Nächste Frage.«
    »Wie darf ich Sie ansprechen?«
    »Schön. Und jetzt stelle ich die Fragen.«
    »He, Sie haben keine meiner Fragen beantwortet.«
    »Stimmt.«
    »Ich möchte wissen …«
    »Sie hatten Ihre Chance. Jetzt bin ich dran. Nietzsche!«
    Ein dumpfes Knurren war zu vernehmen. Wahrscheinlich gehörte ein großer Hund dazu.
    »Aus, Nietzsche, aus!« Das Knurren hörte auf. Scheinbar hatte sie ihren Hund im Griff. Ich hoffte, dass das so bleiben würde. »Jetzt stelle ich ein paar Fragen«, sagte sie. »Und Sie antworten.«
    »Fragen Sie. Na los schon.«
    Sollte sie doch fragen. Ich hatte nichts zu verbergen. Ich hatte keine Leichen im Keller. Nicht mal Brandsätze.
    »Wer sind Sie?«
    »Ich wohne nebenan in der 11, mein Name ist Siegfried Gass .«
    »Wie alt?«
    »Also wissen Sie …«
    »Sie sind nicht sonderlich kooperativ.«
    »46.«
    »Wer schrieb das Skript zu › Natural Born Killers‹«?
    »Was hat das …«
    »Wie heißt der erste Film von Quentin Tarantino?«
    »Warten Sie …«
    »Falsch. ›Reservoir Dogs‹. Das war die Aufwärmrunde. Für einen Typen, der in ein Kino einbricht, haben Sie sich nicht sonderlich gut geschlagen. Haben Sie überhaupt schon mal einen Film gesehen?«
    Was für eine Frage. Natürlich kannte ich jede Menge Filme, gute, schlechte und sehr schlechte, aber ich verspürte wenig Lust gerade jetzt über Filme zu reden. Also wechselte ich das Thema.
    »Ich bin nicht eingebrochen … Und ich verschwinde jetzt«, gab ich bekannt.
    »Ich schicke Ihnen Nietzsche runter, damit Sie im Dunkeln rausfinden .«
    Nietzsche knurrte. Ich knurrte auch, nur nicht so laut.
    »Weiter«, brummte ich.
    Ich stand noch immer im Licht.
    »Wie Sie wollen. Ich hoffe, mit den nächsten Fragen kommen Sie besser klar.«
    Diese Frau hatte es faustdick hinter den Ohren. Vorsicht, sagte ich mir. Vorsicht.
    »Wer ist Ihr Auftraggeber?«
    »Auftraggeber?«
    »Wer hat Sie bezahlt?«
    »Wofür?«
    »Haben Sie in eigener Sache
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