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Hundeelend

Hundeelend

Titel: Hundeelend
Autoren: C Bateman
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tragen.
Selbst falsche Bärte. So wie der Weihnachtsmann. Aber während ich ihn nun genauer musterte, kam er mir doch irgendwie bekannt vor. Und da ich als Verbrechensbekämpfer und Buchhändler viele Feinde habe, suchte meine Hand trotz seines ausdauernden Lächelns die beruhigende Nähe des schweren Fleischhammers; eine der zahlreichen Waffen, die ich unter meiner Ladentheke aufbewahre.
    »Wer sind Sie genau ?«, fragte ich mit tonloser Stimme, um zu verbergen, dass ich aufs Höchste alarmiert war. »Und was wollen Sie?«
    »Sie erkennen mich wirklich nicht? Obwohl Sie mich täglich sehen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Billy Randall?« Er zog die Schultern zurück, stemmte die Hände in die Hüften und verlieh seiner Stimme einen amerikanischen Akzent. »Ich bin Billy Randall – fliegen Sie mit mir?«
    Um den Effekt noch zu unterstreichen, hob er eine Augenbraue.
    »Ah«, sagte ich.
    Ich kannte ihn tatsächlich. Sein zwanzig Meter großes Konterfei starrte mich überall in der Stadt von Werbeplakaten herab an. Billy Randall war Eigentümer einer Billigfluglinie und eines Reiseunternehmens, Billy Randall Air, oder kurz BRA. Er transportierte die vergnügungssüchtigen Massen an billige Urlaubsziele; die meisten davon lagen in der Dritten Welt, waren pausenlos von Naturkatastrophen bedroht, standen am Rande eines Bürgerkriegs und wurden von den Folgen einer massiven
Wirtschaftskrise geplagt. Die Menschen in unserem Land gierten geradezu nach seinen Flügen und Reisen, obwohl sie gleichzeitig seine überhebliche und geschäftsschädigende Art verachteten, denn seine Angebote waren oft billiger als eine Taxifahrt und ein netter Abend in der eigenen Stadt. Er besaß ein robustes Selbstbewusstsein, Dreistigkeit im Überfluss und hatte seine Millionen gemacht, ohne sich irgendwo anzubiedern. Und jetzt blickte er von oben herab auf die ganze Stadt. Die Nordiren sind rasch in ihrem Urteil, sie schätzen Menschen nicht, die sich selbst aufs Podest erheben, außer sie haben wirklich echtes Talent; in dem Fall ersticken sie einen schier mit ihrer aufdringlichen Verehrung.
    Billy Randall lächelte strahlend.
    »Billy Randall, natürlich«, sagte ich jetzt deutlich freundlicher, denn trotz meines wachsenden Verlangens, ihm eine mit dem Fleischhammer überzubraten, war er reich und ich arm. Wenn er mit mir reden wollte, dann hatte er eindeutig ein Problem; und Geld lässt einen nur allzu leicht vergessen, was für einen Blödmann man vor sich hat. »Tut mir leid.«
    »Ich wollte Ihnen was zeigen. Auf YouTube. Haben Sie schon von YouTube gehört?«
    »Ich hab es erfunden.«
    »Sie …«
    »Ich darf nicht darüber sprechen. Aus rechtlichen Gründen.«
    Er starrte mich an. Dann lächelte er. »Also, darf ich Ihnen was zeigen? Gehen Sie einfach auf die Seite und tippen Sie meinen Namen ein.«

    Ich drehte mich zu meinem PC und hackte die einzelnen Buchstaben in die Tastatur, ganz langsam, denn ich erholte mich gerade von einer schweren, durch Kurzsichtigkeit bedingten Legasthenie. Auf YouTube gab es nur einen Eintrag zu Billy Randall. Als ich ihn anklickte, erkannte ich sein Werbeplakat wieder; es erhob sich auf einem Hausdach in einer betriebsamen, vertraut wirkenden Gegend der Stadt. Im Vordergrund rauschte der Verkehr vorbei. Etwa zwanzig Sekunden lang betrachteten wir schweigend das Video.
    »Was soll …?«
    »Warten Sie.«
    Plötzlich hörte man auf der Tonspur ein Gekicher, während die Kamera einem vermummten Jugendlichen folgte, der eine ausziehbare Leiter durch den Verkehr trug. Ich sage deshalb »Jugendlicher«, weil er wie ein Teenager gekleidet war, doch bei dem wenigen, was von ihm sichtbar war, hätte es ebenso gut ein alter, mit Vitalität gesegneter Mann sein können.
    »Ran an die Buletten, Jimbo«, rief ein anonymer Kommentator.
    Der Jugendliche stellte die Leiter gegen die Hauswand unter dem Plakat, sodass sie bis zu dessen unterem Rand reichte. Dann schob er zwei, drei zusätzliche Meter Leiter heraus, was ihn, als er hinaufstieg, genau auf die Höhe von Billy Randalls Stirn brachte.
    Ich bemerkte, wie sich der Reisemogul auf der anderen Seite der Theke vom Monitor abwandte. Offensichtlich war ihm der Anblick des nun Folgenden unerträglich: Der Jugendliche zog eine Farbsprühdose aus seinem Kapuzenshirt
und sprayte etwas direkt auf Billy Randalls gigantische Stirn, das sich im Verlauf der Aktion als ein riesiger Schwanz samt dazugehörigen Eiern entpuppte. Doch dem Kichern aus dem Off, das bald zu einem
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