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Hund aufs Herz

Hund aufs Herz

Titel: Hund aufs Herz
Autoren: Gert Haucke
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den Hund los, der freundlich das «bestrafte» Kind samt «zugerichtetem» Ärmchen beschnuppert. Nach wie vor will er dem Kind nichts Böses tun, im Gegenteil: Sein Schutzinstinkt ist ungebrochen. Er fühlt sich im Recht, hat, wie die Juristen sagen, kein Unrechtsbewußtsein und ist auch in Wahrheit schuldlos und trägt nichts nach. Wenn die Eltern das nicht sehen, nicht einsehen, wer hier mit ein paar ernsten Worten mal zur Brust genommen werden muß, dann machen sie schon wieder einen verhängnisvollen Fehler. Dann nämlich wird sich der Vorfall wiederholen, und mit zunehmender Körperstärke des Kindes – die natürlich nie die Stärke eines großen Hundes erreichen kann, wenn man den denn dazu bringt, sie einzusetzen –wird die Reaktion des Hundes ebenfalls eskalieren. Ich habe aber auch schon Kinder erlebt, die den ersten Einspruch des Hundes gegen ihre Vorherrschaft bleich, still und nachdenklich wegsteckten und den Eltern nichts sagten, weil sie ein intaktes Schuldbewußtsein hatten.
    Andernfalls schaukelt sich das Mißverständnis zwischen Kind und Hund immer weiter auf. Der Hund, von den «Rudelführern» zum Angstbeißer erzogen, verliert eines Tages sein Gefühl für die Verhältnismäßigkeit seiner Reaktionen, und der Rest steht dann am nächsten Tag in der Zeitung. Niemals aber der Background der Geschichte. Aus den Trümmern dieser zerstörten Mensch-Hund-Beziehung wächst dann ein dauerhafter Haß der Beteiligten und Unbeteiligten. Der Sachverhalt wird nie geklärt, mit Eltern und Kind spricht kein Kundiger. Der Schaden ist irreparabel, wo Aufklärung zu haltbarem Frieden geführt hätte, und Vorurteile sind dauerhaft zementiert.

Trau, schau, wem!
    Eines der großen städtischen Tierheime. Am Empfang eine Dame in den besten Jahren, so resolut, wie man auf diesem Posten zu sein hat, und so mißmutig, wie man wird, wenn man sich Tag für Tag faustdicke Lügen anhören muß.
    Vor dem Tresen eine bürgerliche Familie: Vater, Mutter, Kind und Hund. Die Eltern mit starren Da-müssen-wir-durch-Gesichtern, der Hund ein gut gehaltener, gut ernährter, nicht zu großer Bernhardiner. Das kleine Mädchen ist vielleicht vier. Mit einer Hand klammert es sich an das – teure – Hundehalsband und weint still vor sich hin.
     «Bitte?» Die Augen der Resoluten wandern von einem zum anderen, sehen nicht nur, sondern machen sich ein Bild.
     «Wir wollen den Hund abgeben.»
     «Warum?»
     «Er hat das Kind gebissen!»
    Pause. Ich stehe daneben, es reißt mich, ich mische mich ein: «Wieso? Das Kind ist doch noch da?»
    Haßerfüllte Blicke der Eltern.
     «Ich meine, wenn der Hund, so ein Hund, das Kind gebissen hätte – dann wäre es doch im Krankenhaus, mindestens. Allermindestens hätte es Ratscher, Blutergüsse–?»
    Um die Mundwinkel der Empfangsdame zuckt es. Die Eltern pressen die Lippen zusammen, das Kind weint jetzt ein bißchen mehr.
     «Kommen Sie rein. »

Trau, schau, wem!

Trau, schau, wem!

Ich drehe mich um und gehe. Mir ist mies. Eben war ich Zeuge der Inhaftierung eines Unschuldigen. Einen Prozeß wird es nicht geben. Die Freilassung auf dem Gnadenweg ist ungewiß. Gründe für die Überführung in den Knast können dem eingesperrten Hund nicht mitgeteilt werden. Die Haftbedingungen sind meist erträglich. Aber welchen grundlos Inhaftierten tröstet das schon?
    Szenen wie die beschriebene finden jeden Tag in unseren Auffanglagern für die weggeschmissenen besten Freunde der Menschen statt. Nun ist es ja menschlich, mit der Wahrheit sparsam umzugehen. Besonders, wenn man dabei nicht so gut aussehen würde. So was wie die Dame im Leopardenmantel, die im Hunderttausendmarkauto vorfährt und ihren hochgestylten Pudel mit der Bemerkung abgibt, seine Ernährung würde ihr zu teuer, ist eher selten. Ich habe die Szene selbst erlebt und gebe zu, sie ist kaum zu glauben. Hier war die Ehrlichkeit mit dem Verlust der Scham gekoppelt. Auch kein schöner Anblick.
    Andererseits: Wer über genug Bekennermut verfügt, zuzugeben, daß ihm sein Tier einfach mit der Zeit lästig geworden ist, zuviel Umstände macht, dem möchte ich ein mageres Quentchen Sympathie nicht mal versagen. Solche Tiere bekommen wenigstens einen einigermaßen zutreffenden Steckbrief mit auf den Weg, der ihre Vermittlung sehr erleichtert.
    Die meisten Helfer in Tierasylen arbeiten ehrenamtlich und sind überbeschäftigt. Oft bleibt einfach keine Zeit, die Angaben der Vorbesitzer zu prüfen, und bei den Aufgegriffenen und
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