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Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Titel: Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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wohlmeinender alter Mann, und kein Narr. Diesem nach hätte er vielleicht unter andern Umständen zu einer Notar-oder Friedensrichterstelle gelangen können! – Einige gingen noch weiter und schätzten ihn sogar so hoch, wie seine Verwandte bei’m Congreß.
    Da er die Aufgabe seines Lebens mit der Publication seiner Geschichte als beschlossen ansah, hätte er sich nun noch auf zwei Dinge, auf’s Politisiren oder auf’s Trinken legen können, aber er that keins von beiden, da er für so etwas zu gute moralische Grundsätze hatte.
    Zwar versuchte er noch, an einer zweiten Auflage zu arbeiten, um seinem Ruhm Dauer, seinem Werk authentisches Ansehn – die Seele der Geschichte – zu verschaffen. Allein der Lichtblick der Composition war verglommen, er war unsicher und zweifelnd im Aendern und Verbessern geworden, und brachte nichts mehr zu Stande.
    Endlich kehrte er nach seiner Vaterstadt New-York zurück und erlebte hier die ganze Glückseligkeit eines berühmten Mannes. Man trug ihm die Fertigung aller möglichen Anzeigen, Petitionen, Billets &c. an, und obgleich er nie etwas mit den öffentlichen Blättern zu schaffen hatte, so wollte man ihn doch überall, in unzähligen Versuchen und beißenden Ausfällen von den verschiedenartigsten Richtungen, lediglich «an seinem Styl» erkennen.
    Außerdem contrahirte er eine große Schuld auf der Briefpost, durch die vielen unfrankirten Schreiben, die er von Schriftstellern und Druckherrn um Unterschrift erhielt; wohlthätige Gesellschaften, die sich an ihn wandten, wurden gern von ihm bedacht, da er diese Einladungen als so viele Complimente ansah. Eine Menge Ehren wurden ihm angethan. Er konnte nicht mehr unbemerkt über die Straße gehen, und oft liefen ihm die Jungen nach, wenn er mit Stock und dreieckigem Hut durch die Gassen zog, und schrieen: «da geht der Dietrich.» – welches dem alten Herrn nicht wenig gefiel, da er in diesen Begrüßungen den Schall des Nachruhms vernahm.
    Die größte Ehre widerfuhr ihm durch eine überaus lobende Anerkennung in dem kritischen Blatt: Portfolio; und diese Gerechtigkeit übermannte ihn so sehr, daß er zwei Tage krank danieder lag. Kurz, man muß bekennen, daß keinem Schriftsteller je so hoher Lohn zu Theil ward, oder so im Voraus die Unsterblichkeit zu genießen gegeben wurde.
    Die Stuyvesants räumten ihm, wegen der ruhmwürdigen Verewigung ihres großen Verwandten einen ländlichen Aufenthalt auf einem Familiengute ein. Er wohnte dort sehr freundlich an den Gestaden eines der Salzsümpfe jenseits Corlears-Haken, an einer Stelle, die zwar öfteren Ueberschwemmungen ausgesetzt war und im Sommer von Moskito’s wimmelte, aber sonst recht angenehm war, und viel Salzgras, wie auch Farrenkräuter hervorbrachte.
    Hier erkrankte denn der gute alte Mann sehr bedenklich an einem Fieber von den benachbarten Salzsümpfen. Als er sein Ende herannahen sah, ordnete er seine weltlichen Angelegenheiten und vermachte seine geistige Hinterlassenschaft der historischen Gesellschaft in New-York, seine werthvollsten Bücher der Stadtbibliothek und sein Felleisen dem Hrn. Handaside. Er vergab allen seinen Feinden, d. h. allen, die etwas Schlimmes gegen ihn im Schilde führten, denn von sich selbst bekannte er, daß er in Frieden mit der ganzen Welt von dannen fahre; nach Anbefehlung einiger Botschaften und Grüße an verschiedene Verwandte und dicke Freunde unter den holländischen Bürgern, verschied er in den Armen seines treuen Gefährten, des Bibliothekars.
    Seine sterblichen Ueberreste wurden nach seinem Willen auf dem St. Markus-Kirchhof, neben den Gebeinen seines Lieblingshelden, Peter Stuyvesant, begraben, und es heißt, die historische Gesellschaft wolle ihm auf dem Rasen ein hölzernes Denkmal errichten lassen.

An das Publikum.
    «Um das Andenken vergangener Dinge der Vergessenheit zu entreißen und vielen großen und wunderbaren Thaten unserer holländischen Vorfahren den gerechten Tribut des Nachruhms zu verschaffen, stellt Dietrich Knickerbocker, aus New-York gebürtig, diesen historischen Versuch an’s Licht.» Wie Herodotus, der große Vater der Geschichte, dessen Worte ich so eben auf mich angewandt, handle ich von längst vergangenen Dingen, über welche das Zwielicht der Ungewißheit bereits seine Schatten geworfen hat und auf welche die Nacht der Vergessenheit bereits unerbittlich herabzusteigen im Begriff war. Mit großer Besorgniß sah ich schon lange die Geschichte dieser ehrwürdigen alten Stadt dem Erfassen unserer
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