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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya
Autoren: Blood Ties 05 - Blutschuld
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zurück.
    „Hallo Jungs!" Lisa Evans hielt mit behandschuhter
Hand den Arm ihrer bezahlten Gesellschafterin umklammert, trat auf den Gang
hinaus und setzte ein sehr teures, sehr perfektes Grinsen auf. Blendend weiße
Zähne zwischen funkelnd roten Lippen betonten auf gespenstische Art die
totenkopfartigen Züge, die das Gesicht der alten Frau prägten, seit das

Alter letztlich doch über die jahrelangen Bemühungen der
kosmetischen Chirurgie triumphiert hatte. „Wollt ihr euch ins Nachtleben
stürzen?"
    „Wir gehen uns nur im Kino die Mitternachtsvorstellung
anschauen", erklärte Henry, während Tony dafür sorgte, daß sich die
Fahrstuhltür nicht schloß. Henry nahm die freie Hand der alten Dame und zog sie
galant an die Lippen. „Was ist mit Ihnen? Sie waren wohl wieder mal Herzen
brechen."
    „In meinem Alter? Machen Sie sich nicht lächerlich."
Lisa Evans entzog Henry ihre Finger, schlug ihm leicht gegen die Wange und
wandte sich ihrer Begleitung zu. „Was haben Sie da zu grinsen, Munro?"
    Mrs. Munro schien sich in keiner Weise ungerecht behandelt
zu fühlen und strahlte weiter wohlwollend auf ihre ältliche Arbeitgeberin hinunter.
„Ich mußte nur gerade an Mr. Swanson denken."
    „Swanson interessiert sich für mein Geld, nicht für meine
alten Knochen!" Dennoch richtete sich die alte Dame stolz auf und
tätschelte den Kopf der Nerzstola, die sie über einem Kostüm aus Rohseide trug.
Lisa Evans war einst Mätresse eines reichen Holzhändlers aus Vancouver gewesen.
Mit Hilfe einiger geschickter Investitionen war es ihr gelungen, aus einer
großzügigen Abfindung ein ansehnliches Vermögen zu machen. „Außerdem
interessiere ich mich nicht für ihn. Die guten Männer sind alle tot." Sie
ließ ihre glitzernden Augen erst über Henry, dann über Tony schweifen und
setzte hinzu: „Oder schwul."
    „Aber Miss Evans!"
    „Regen Sie sich ab, Munro. Ich sage den beiden nichts, was
sie nicht selbst wissen." Nachdem sie ihre Begleiterin zurechtgewiesen
hatte, wandte Miss Evans ihre Aufmerksamkeit wieder den beiden Männern zu. „Wir
kommen gerade von einer dieser wirklich ermüdenden Wohltätigkeitsveranstaltungen
- es wird ja von einem erwartet, daß man hingeht, wenn man schon Geld hat.
Organe waren es diesmal - glaube ich."
    „Organe?" wiederholte Henry mit einem leisen Lächeln,
denn er wußte genau, daß Lisa Evans diese ermüdenden
Wohltätigkeitsveranstaltungen, bei denen ihr Scheckbuch sicherstellte, daß man
sie nach Strich und Faden umwarb und umschmeichelte, von ganzem Herzen genoß.
Er wußte auch, daß es Absicht war, wenn die alte Frau vorgab, gar nicht genau
zu wissen, an welcher Veranstaltung sie gerade teilgenommen hatte. Geld in den
Mengen, wie Miss Evans sie ihr eigen nannte, verdiente man nicht, ohne genau zu
wissen, wohin jeder einzelne Dollar wanderte. „Körperorgane?"
    „Ja." Tiefliegende Augen verengten sich plötzlich zu
einem stechenden Blick, der schon Horden staatlich geprüfter Buchhalter dazu
gebracht

hatte, sich in die nächste Ecke zu verkriechen. „Haben Sie
einen Organspenderausweis?"
    „Ich fürchte, meine Organe wollen die nicht."
    Der Blick wurde ein wenig sanfter: Miss Evans zog genau
den Schluß, den Henry beabsichtigt hatte. „Das tut mir leid. Aber solange man
lebt, kann man noch hoffen, und die Medizin vollbringt ja heute wahre Wunder."
Sie grinste. „Schließlich ist es ein Wunder, daß ich immer noch am Leben
bin!" Sie zog ihre Begleiterin hinter sich her den Flur hinab, was ein
wenig so aussah, als würde ein großes Schiff von einem winzigen Lotsenboot
durch den Hafen geschleppt, und winkte den beiden Männern zum Abschied fröhlich
zu. „Tun Sie nichts, was ich nicht auch täte!"
    „Das läßt uns einigen Spielraum", murmelte Henry, als
sich die Fahrstuhltüren schlossen und Mrs. Munros aufgeregte Proteste nicht
mehr zu hören waren.
    Tony ließ sich gegen die Wand der Fahrstuhlkabine sinken,
die Hände in den Hosentaschen. „Ehe ich Miss Evans kennenlernte, dachte ich immer,
alle alten Damen seien leicht verwirrt und würden riechen. Vielleicht schickst
du deinen Geist einfach mal rüber zu ihr."
    „Warum das denn?"
    „Wo doch alle guten Männer tot sind ..."
    „Oder schwul", ergänzte Henry. „Was, wenn sich nun
herausstellt, daß mein Geist beides ist? Mit Lisa würde ich mich ungern
anlegen."
    Tony dachte an die Folgen, die das haben könnte, und
schauderte. „Ich wollte dich immer schon mal fragen, warum du zu allen im Haus
so freundlich
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