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Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)

Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
Autoren: Keri Arthur
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wäre.
    Ich betätigte den kleinen Knopf, der mir vor vier Monaten in mein Ohrläppchen eingesetzt worden war. Er funktionierte sowohl als Gegensprechanlage als auch als Peilsender, und Jack hatte nicht nur darauf bestanden, dass ich ihn behielt, sondern dass von jetzt an alle Wächter mit so etwas ausgestattet wurden. Er wollte jederzeit in der Lage sein, seine Leute zu orten, selbst wenn sie nicht im Dienst waren.
    Für mich schmeckte das irgendwie nach totaler Überwachung, aber ich verstand seine Begründung. Wächter wuchsen nicht an Bäumen. Es war schwierig, Vampire zu finden, die die richtige Mischung aus Killerinstinkt und moralischem Anstand besaßen. Deshalb hatte die Abteilung immer noch nicht alle elf Wächter ersetzt, die wir vor zehn Monaten verloren hatten.
    Einer der elf war eine Freundin von mir gewesen, und in meinen schlimmsten Nächten träumte ich noch immer von ihrem Tod. Dabei hatte ich nur den blutigen Sand gesehen, in dem man ihre DNA festgestellt hatte. Wie bei den meisten Wächtern, die verschwunden waren, hatte man ihre Leiche nicht gefunden.
    Die Maßnahme mit dem Peilsender war aber nicht nur für diese elf zu spät gekommen, sondern auch für einen anderen  – für Gautier. Nicht dass er tot war, obwohl ich mir das sehr wünschte. Bis vor vier Monaten war er der beste Wächter der Abteilung gewesen. Jetzt galt er als Verbrecher und stand ganz oben auf der Fahndungsliste der Abteilung. Bislang hatte er einen Bogen um jede Falle gemacht und war stets entkommen. Er lungerte immer noch dort draußen herum und wartete darauf, sich zu rächen.
    An mir.
    Mir lief eine Gänsehaut über den Rücken, und nur für eine Sekunde hätte ich schwören können, dass mir sein nach Tod riechender Gestank in die Nase stieg. Ich konnte nicht herausfinden, ob es stimmte oder ob ich es mir bloß einbildete, denn eine Windböe vertrieb den Geruch.
    Auch wenn es nicht stimmte, erinnerte es mich daran, dass ich auf der Hut sein musste. Gautier war unberechenbar. Und was noch schlimmer war, er spielte gern mit seiner Beute. Er liebte es zuzusehen, wie jemand litt und sich ängstigte, bevor er ihn tötete.
    Vermutlich sah er in mir seine neue Maus, obwohl er noch keines seiner Spiele an mir ausprobiert hatte. Doch ich spürte, dass sich das heute Nacht ändern würde.
    Ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse und tat mein Bestes, diese Erkenntnis zu ignorieren. Hellsehen mochte ja ganz praktisch sein, wenn man damit beispielsweise künftige Ereignisse voraussehen konnte, aber damit war mein Schicksal offenbar überfordert. Mich überkam lediglich ein seltsames Gefühl, dass ein Unheil drohte, ohne dass ich Aussagen zu den Details machen konnte. Es war nahezu unmöglich, so etwas zu trainieren, was Jack nicht davon abhielt, seine Leute dazu anzuhalten, es zumindest zu versuchen.
    Niemand wusste, ob meine Fähigkeit sich verbesserte, wenn ich mich erst an sie gewöhnt hatte. Ich persönlich wünschte, sie würde sich wieder zu einer latenten Fähigkeit zurückentwickeln. Ich wusste, dass Gautier irgendwo dort draußen war. Ich wusste, dass er hinter mir her war. Ich brauchte nicht noch irgendwelche stümperhaften Fähigkeiten, die mich alle zwei Tage mit üblen Vorahnungen verschreckten.
    Obwohl Gautier heute Abend wahrscheinlich nicht hier draußen war, sah ich mich unwillkürlich um und beobachtete die Schatten, während ich sagte: »Lieber Bruder, ich hasse diesen beschissenen Job.«
    Rhoans leises Lachen schwappte in mein Ohr. Bei dem Geräusch fühlte ich mich gleich besser. Sicherer. »Solche Nächte sind Mist, stimmt’s?«
    »Das ist die Untertreibung des Jahres.« Ich spähte rasch um die Ecke und sah, dass der Vampir links abbog. Ich schlich hinter ihm her, wobei ich mich dicht an der Mauer hielt, dabei jedoch einen Bogen um die Pfützen machte. Meinen Füßen half das allerdings nicht mehr viel. »Ich möchte darauf hinweisen, dass ich mich nicht freiwillig für den Nachtdienst gemeldet habe.«
    Rhoan kicherte leise. »Und ich möchte darauf hinweisen, dass du dich überhaupt nicht freiwillig gemeldet hast, sondern zwangsverpflichtet wurdest. Du kannst so viel meckern wie du willst. Es ist sowieso egal.«
    Wie wahr. »Wo bist du?«
    »Auf der Westseite bei der alten Keksfabrik.«
    Also quasi auf der gegenüberliegenden Seite. Wir hatten ihn zwischen uns eingekesselt. Das bedeutete hoffentlich, dass er uns nicht entwischte.
    Als ich auf die Ecke zukam, blieb ich stehen und lugte vorsichtig um die
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