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Huete dich vor deinem Naechsten

Titel: Huete dich vor deinem Naechsten
Autoren: Lisa Unger
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»du weißt ja, wie es hier läuft. Die kennen keine Gnade.« Er lachte, kurz und bemüht, war sofort in Deckung gegangen.
    »Kann ich mit meinem Mann sprechen?« Ich hörte meinen schneidenden Unterton und fragte mich, ob Rick ihn ebenfalls bemerkt hatte.
    »Klar«, sagte er. »Warte kurz.« Eine Woge der Erleichterung, meine Sorgen verflogen. Er arbeitet noch und hat vergessen, Bescheid zu sagen. Kommt nicht zum ersten Mal vor. Du bist paranoid. Ich wartete.
    »Iz«, meldete Rick sich wieder. »Ich glaube, er ist rausgegangen, um sich was zu essen zu holen. Soll er dich zurückrufen?«
    »Sein Handy leitet mich gleich auf die Mailbox weiter«, sagte ich einfach so.
    »Ich glaube, er hat gesagt, der Akku sei leer«, entgegnete Rick mit sanfter Stimme.
    »Okay«, seufzte ich. »Danke.« Lügner .
    Ich legte auf. Er hatte mich gebeten zu warten, weil er es auf Marcs Handy versuchen wollte. Er konnte ihn nicht erreichen und hat mir dann eine Lüge aufgetischt. Ich vermutete das nicht nur, ich wusste es mit Bestimmtheit. Ich hatte mitbekommen, wie sie einander vor Kunden deckten, und mir war klar, dass Rick, der Geschäftspartner meines Mannes, mich öfter schon auf diese Art hingehalten hatte - aus verschiedenen Gründen, manchmal schlimm, manchmal weniger schlimm. Ich hatte dieses Verhalten stets seltsam gefunden, immerhin waren die beiden nicht befreundet. Ganz im Gegenteil, ich bildete mir ein, eine gewisse Feindseligkeit zu spüren, obwohl sie gut miteinander arbeiteten. Und nie versäumte es der eine, für den anderen zu lügen oder Ausreden zu erfinden.
    Ich schenkte mir noch ein Glas Wein ein, das zweite aus einer Flasche billigen Chardonnays, der im Kühlschrank stand. So sehr ich meinen Mann auch liebte - Abende wie dieser erinnerten mich an die feinen Risse in unserer Ehe, jene Risse, die sich bemerkbar machten, sobald Druck ausgeübt wurde, und die drohten, uns auseinanderzubringen. Um Mitternacht war ich leicht beschwipst, dämmerte vor dem Fernseher vor mich hin und beachtete die Bilder kaum. Ich wartete auf den Aufzug, auf den Schlüssel im Türschloss, auf das Klingeln des Telefons. Das Handy in meiner Hand war warm, weil ich es seit Stunden festgehalten und erfolglos alle paar Minuten seine Nummer angerufen hatte. Er war regelmäßig zu spät nach Hause gekommen oder für einen halben Tag in Meetings verschwunden; aber nicht so, nicht, ohne mich vorher anzurufen. Manchmal meldete er sich betrunken aus einer Bar, wenn wir uns gestritten hatten, oder von der Arbeit, um mir halbgare Lügen aufzutischen. Sich überhaupt nicht zu melden, sah ihm nicht ähnlich. Es war viel zu - verdächtig. Ich heftete meinen Blick auf die Digitaluhr am Decoder.
    0.22.
    0.23.
    0.24.
    Wo ist er?
     
    Einmal, es ist fast zwei Jahre her, hatte Marc mich mit einer Frau betrogen, die er während einer Geschäftsreise in Philadelphia kennengelernt hatte. Die Affäre hatte zwei Monate gedauert, so erzählte er es mir jedenfalls später - lange Telefonate, ein paar spontane Trips in eine andere Stadt. Einmal kam sie nach New York, während ich mich bei einem Schriftstellertreffen befand, aber er schwor, sie habe keinen Fuß in unser Apartment gesetzt. Es war keine Liebesbeziehung, aber doch mehr als ein One-Night-Stand.
    Ich hatte von Anfang an eine Vermutung - seit er zum ersten Mal nach Philadelphia wieder mit mir geschlafen hatte. Die Menschen verraten sich durch Kleinigkeiten, durch Details, die einer Schriftstellerin auffallen und die jeder andere übersehen würde. Ich spreche nicht von solch banalen Dingen wie Lippenstift am Hemdkragen oder dem Geruch von Sex. Ich meine das Wesentliche, die hauchdünnen Webfäden, die uns verbinden.
    Er wirkte abwesend, sein leerer Blick verriet mir, dass er ganz woanders war. Irgendwie schienen unsere Körper nicht mehr zusammenzupassen. Seine Küsse schmeckten anders. Ich konnte damals nicht kommen, konnte die Distanz zwischen uns nicht überwinden. Das war noch nie passiert, bei uns war selbst der schlechte Sex gut gewesen. Wir schafften es, uns gut zu lieben, auch wenn wir wütend aufeinander waren, todmüde oder erkältet. Egal, was vorgefallen war, wir hatten es immer geschafft, uns auf körperlicher Ebene wieder anzunähern.
    Ich habe damals weniger aufgebracht reagiert, als man vermuten könnte. Ich wurde nicht hysterisch, ich warf nicht mit Tellern, ich kreischte keine wüsten Beschimpfungen. Ich wartete einfach darauf, dass irgendein greifbarer Beweis meine Vermutung bestätigen
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