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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy
Autoren: Stefan Schwarz
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ineinander einfühlen können. Und das sind nicht immer nur schöne Gefühle.»
    Chef nickte ein bräsiges ‹Na, da schau her. Die Wissenschaft!›, und Siegrun Wedemeyer räusperte sich zufrieden. Das Seminar der gewerkschaftlichen Erwachsenenfortbildungsstätte zum Thema «Traumatisierungen durch ungerichtete symbolische Gewalt im Arbeitsumfeld. Anzeichen, Formen, Auswirkungen» hatte sich gelohnt.
    «Vielleicht fehlen mir ja ein paar Neuronen», grimmte ich, «ich kann das nämlich absolut nicht nachvollziehen!»
    «Wenn Sie Ihre schlüpfrigen Vorstellungen im Büro äußern,dann mag das vielleicht auf Frau Bülcyn gemünzt sein, die das vielleicht auch noch aus falsch verstandener Kollegialität hinnimmt, aber im selben Moment zwingen Sie auch Herrn Kruschik, sich in Ihre unerfreuliche Gedankenwelt zu begeben. Herr Kruschik möchte aber vielleicht mit seinen Gedanken bei der Arbeit sein und nicht bei Ihren verschwitzten Phantasien.»
    «Jetzt bin ich, ehrlich gesagt, ein bisschen schockiert», sagte ich, «denn bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass Nobbi (ich hatte ihn noch nie «Nobbi» genannt, nicht mal «Norbert», ich hatte einfach immer vermieden, ihn anzusprechen) gar nicht weiß, wovon wir sprechen. Ist es nicht so, dass Vorstellungen an bestimmte Erfahrungen geknüpft sein müssen?»
    «Das ist ja wohl die Höhe!», fauchte Kruschik böse. «Es geht dich einen Dreck an, ob ich   …»
    Seine Aknenarben färbten sich dunkelrot ein. Ich überlegte, ob es meinem Leben Glanz verleihen könnte, mir Kruschik zum Feind zu machen. Immerhin lebten Leute wie er davon, dass man sie für nicht satisfaktionsfähig hielt. So konnten sie sich vermehren. «Wenn ich ‹Eene meene mopel, wer frisst Popel?› gesagt hätte, dann hätten deine Spiegelneuronen gewusst, wovon ich rede, aber so doch nicht.» Es klang ein bisschen nach Schulhof. Aber Nergez sah mich an, eine Spur Dawunderichmichaber in ihrem Blick und eine neue Art Aufmerksamkeit, etwas Scharfes, Scharfstellendes, als entdecke sie plötzlich etwas an mir, das sie nicht kannte und das ihr gefiel. Mangosaft. Himmel! Ich musste unbedingt verhindern, dass je Mangosaft, Mangomischsaft oder ein mangosaftersatzhaltiger Tropicanadrink zwischen uns geriet.
    «Schlagt mich tot», schlug Chef vor, «aber so wie ich das sehe, ist es einfach nicht kollegial. Überlegt doch mal: Kollegial wäre es, wenn ihr Norbert in euer Gespräch mit einbeziehen würdet. Ihr redet über sexuelle Phantasien. Okay. Bezieht Norbert einfach mit ein. Fragt ihn. Auch wenn er vielleicht nicht so viele persönliche   …»
    «Ich habe Erfahrungen!», rief Kruschik jetzt mit hoher Stimme dazwischen.
    «Man muss gar nicht alle Erfahrungen selbst gemacht haben, Norbert», beschwichtigte ihn Chef mit einer Hand, aber Kruschik wollte den Jungfernkranz nicht. Er atmete schwer.
    «Herr Kruschik hat Erfahrungen», sagte Siegrun Wedemeyer sehr fest, als werde sie gleich bekanntgeben, einmal selbst Teil derselben gewesen zu sein, «aber er verzichtet darauf, andere Menschen damit zu belästigen. Und Sie sollten es ebenso halten, weil ich sonst davon ausgehen muss, dass Sie Schwierigkeiten mit der sachbezogenen Arbeitsatmosphäre hier im Sender haben und möglicherweise woanders besser aufgehoben sind. Haben wir uns so weit verstanden?»
    Ich wollte erst gleich «okay» sagen, aber dann sah ich doch länger aus dem Fenster und kippelte ein bisschen mit dem Stuhl, um mir den Anschein zu geben, ich müsste innere Kämpfe bestehen. «Okay. Verstanden. Ich werde in Gegenwart von Nobbi (das führ ich jetzt ein, das setz ich jetzt durch) keine erregenden Reden mehr halten. Ich kann dies nur für die Zukunft sagen, denn ich weiß, ich kann das Geschehene nicht aus der Welt schaffen. Ich bin mir dessen bewusst, dass mein Reden über diese Sachen Nobbis Hirn für wahrscheinlich sehr lange Zeit kontaminiert hat. Ich habeDinge gesagt, die sich schwer vergessen lassen. Schlimme Sex-Dinge. Mir ist klar, dass Nobbi immer, wenn Nergez und ich zusammen im Büro weilen, von Vorstellungen heimgesucht werden wird, wie unsere schweißtriefenden Leiber in unaussprechlichen Po   …»
    Chef erhob sich. Die Wedemeyer setzte die Hände auf den Tisch und schob sich in ihrem Wollponcho in den Stand. Sie presste die Lippen aufeinander und schüttelte sachte den Kopf, als glaube sie nicht, dass das mit mir ein gutes Ende nehmen würde. Chef beruhigte sie. «Na klar, er muss jetzt noch seine Witzchen machen, aber in
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