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Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Titel: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)
Autoren: Mark Twain
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alles, wie ich's Onkel Silas zuvor erzählt hatte, und sie sagte, sie wolle uns verzeihen, es sei wohl natürlich bei solchen wilden Bengeln wie wir zwei, und sie danke Gott, daß uns weiter nichts passiert sei und wolle nun nicht länger nachdenken über das, was daraus hätte werden können, und sie klopfte mir auf den Kopf und versank in Nachsinnen. Mit einemmal springt sie auf und ruft: »Tom«, ruft sie, »wo ist Sid? Beinah' ist's Nacht und noch kein Sid da! Herr, du mein Gott, was ist aus dem Jungen geworden?«
    Das scheint mir eine willkommene Gelegenheit, und ich springe auf und rufe: »Ich lauf nach der Stadt, ich will ihn schon finden!«
    Aber da kam ich gut an.
    »Du bleibst«, sagt sie mit Nachdruck und packt mich am Arm, »einer ist gerade genug! Wenn er bis zum Abendessen nicht da ist, geht dein Onkel und sieht zu, daß er ihn findet, und damit basta!«
    Beim Abendessen war er dann auch noch nicht da, und so ging also Onkel gleich nachher auf die Suche.
    Gegen zehn kam er wieder, etwas ärgerlich, etwas unruhig, er hatte von Sid nirgends eine Spur finden können. Tante Sally war nicht nur etwas, sondern sehr unruhig, Onkel Silas aber meinte, dazu sei kein Grund vorhanden – Jungen seien eben Jungen, und am Morgen werde sich der Ausreißer wohl von selbst wieder einstellen, heil und durstig und hungrig. Sie mußte sich damit zufriedengeben, wohl oder übel, aber sie sagte, aufbleiben wolle sie doch und auf ihn warten und Licht brennen, damit er das Haus finden könne.
    Als ich zu Bett ging, kam sie mit mir auf mein Zimmer, nahm ihr Licht mit und deckte mich warm zu und war so gut und so wie eine Mutter mit mir, daß ich mir ganz elend und schlecht vorkam und ihr kaum in die guten, freundlichen Augen sehen konnte. Und sie setzte sich auf den Bettrand zu mit und schwatzte lange, lange und sagte, was für ein prächtiger Bursche Sid sei, und schien kaum fertig werden zu können, ihn zu loben, und dazwischen fragte sie immer wieder, ob ich dächte, daß er verlorengegangen oder sonstwie zu Schaden gekommen sein könne, oder daß er gar beinahe ertrunken sei und am Ende eben jetzt irgendwo liege, krank und elend, und sie sei nicht bei ihm, um ihm zu helfen und ihn zu trösten. Dabei stürzten ihr die hellen Tränen aus den Augen und rannen leise über die Wangen, und ich versicherte ihr, Sid sei gewiß wohl und munter und werde sich am Morgen unfehlbar einstellen, darauf drückte sie meine Hand und küßte mich und bat mich, es noch einmal zu sagen und noch einmal, denn es täte ihr wohl, sie sei in solcher Angst um ihn. Als sie dann wegging, sah sie mir in die Augen, so fest und doch dabei so gut und freundlich, und sagte: »Ich werde die Türe nicht schließen, Tom, und dort ist das Fenster und der Blitzableiter, aber, nicht wahr, du wirst brav sein? Wirst du? Und wirst nicht durchbrennen, Tom, um meinetwillen!«
    Das fiel mir aufs Herz, wo Tom ohnehin schon schwer drauflag, und aus dem Schlafen wurde nicht viel. Ich warf mich ruhelos hin und her. Zweimal rutschte ich am Blitzableiter hinab und schlich mich ums Haus herum auf die Vorderseite und sah die gute Frau dort am Fenster sitzen bei ihrem einsamen Licht, und die Augen, die auf den Weg hinausstarrten, waren dick voll Tränen, und ich wünschte, ich wäre imstande gewesen, etwas für sie zu tun, aber ich wußte nicht, was. Das einzige war, daß ich mir selbst schwur, nie wieder etwas zu tun, was ihr Kummer machen würde. Dann, als ich zum drittenmal aufwachte, dämmerte schon der Tag, und ich glitt noch einmal hinunter auf meinem gewöhnlichen Weg, und richtig, da saß sie noch, und das Licht war ausgebrannt, während der müde, graue Kopf auf den Tisch gesunken und die alte Frau endlich eingeschlummert war.

33. Kapitel
Tom Sawyer verwundet – Die Erzählung des Doktors – Jim profitiert etwas – Tom beichtet – Tante Polly kommt – »Briefe heraus!«
    Doch vor dem Frühstück war Onkel Silas wieder in der Stadt gewesen, hatte aber natürlich wieder keine Spur von Tom entdecken können, und nun saßen die beiden am Tisch, ganz stumm und betrübt, sie schienen tief in Gedanken versunken zu sein, und keines sagte ein Wort, und der Kaffee wurde kalt, und essen konnten sie auch nichts.
    Sagt da plötzlich der Alte: »Hab' ich dir den Brief gegeben, Sally?«
    »Welchen Brief?«
    »Den, den ich gestern auf der Post bekommen habe.«
    »Nein, einen Brief hast du mir nicht gegeben!«
    »Na, dann muß ich's vergessen haben!«
    Er kramte in allen Taschen,
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