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House of God

House of God

Titel: House of God
Autoren: Samuel Shem
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wußten genau, daß ich sie verarschen will, alles kriegen will. Also haben sie mich reingelegt und mir alles gegeben. Mein alter Herr hat recht: Die erste Postkarte war mein Ruin. Hätte lieber zur Army gehn solln.«
    »Wenigstens hast du ’ne gute Geschichte über die Killerameisen gelesen.«
    »Jap, nichts gegen zu sagen. Was is mit dir?«
    »Mit mir? Auf dem Papier steh ich gut da. Nach der Schule hatte ich für drei Jahre ein Rhodes Stipendium in England.« »Donnerwetter! Du mußt ja ’n Supersportler sein. Was spielst du?«
    »Golf.«
    »Spinnss du? Mit so kleinen, weißen Bällen?«
    »Genau. Oxford hatte offensichtlich genug von den dummen Rhodes-Jockeys. In meinem Jahr wollten sie mehr Köpfchen. Einer von uns spielte Bridge.«
    »Wie alt bist du’n eigentlich, Mann?«
    »Am 4 . Juli werde ich dreißig.«
    »Mann, du bis ja älter als wir alle. Steinalt.«
    »Ich hätte lieber nicht ins
House
kommen sollen. Mein ganzes Leben drehte sich um diese verflixten Nr.- 2 -Bleistifte. Man sollte meinen, inzwischen hätte ich’s kapiert.«
    »Also, was ich wirklich sein möchte, Mann, ist Sänger. Ich hab ’ne echt tolle Stimme. Hör zu.«
    Im Falsett, Töne und Worte mit seinen Händen formend, sang Chuck:
»There’s a … moone out toonight, wo-o-o-oow, and 1 know … if you held me tight, wo-o-o-owww …«
    Ein schönes Lied, und er hatte eine schöne Stimme, alles war schön, und ich sagte es ihm. Wir waren beide glücklich. Im Angesicht dessen, was uns bevorstand, war es so ähnlich, als wenn man sich verliebt. Nach einigen weiteren Drinks fanden wir, wir wären glücklich genug, um zu gehen. Ich griff in meine Tasche, um zu bezahlen und fand Berrys Zettel.
    »Oh, Scheiße,« sagte ich, »Ich bin zu spät. Gehen wir.«
    Wir bezahlten und traten auf die Straße. Die Hitze war von einem Sommerregen fortgespült worden. Bei Donnergrollen und Blitzen wurden wir klatschnaß und sangen durch das Autofenster zu Berry hinein. Chuck verabschiedete sich, und als er zu seinem Wagen ging, rief ich ihm nach:
    »He, ich hab vergessen, dich zu fragen, wo du morgen anfängst?«
    »Wer weiß, Mann, wer weiß.«
    »Warte, ich seh nach.« Ich angelte meinen Computerausdruck heraus und sah, daß Chuck und ich zunächst auf derselben Station sein würden. »He, wir werden zusammen arbeiten.«
    »Das iss cool, Mann, iss echt cool. Bis dann.«
    Ich mochte ihn. Er war schwarz, und er hatte durchgehalten. Mit ihm zusammen würde auch ich durchhalten. Der erste Juli sah nun nicht mehr ganz so furchterregend aus.
    Berry war besorgt, weil ich meine Verleugnungstaktik mit Bourbon angereichert hatte. Ich war albern und sie ernst, und sie meinte, dieses erste Mal, daß ich eine Verabredung mit ihr vergessen hatte, könnte ein Vorzeichen für die Probleme sein, die wir im kommenden Jahr haben würden. Ich versuchte, ihr etwas über das BM -Essen zu berichten und konnte es nicht. Als ich ihr lachend von Harry dem Pferd und der furzenden Jane Doe erzählte, fand sie das gar nicht komisch.
    »Wie kannst du darüber lachen? Das klingt bemitleidenswert.«
    »Das ist es auch. Ich fürchte, das Verleugnen hat nicht funktioniert.«
    Im Briefkasten war ein Brief von meinem Vater. Ein Optimist, ein Meister der Konjunktion. Seine Briefe liefen nach folgendem Muster ab: Satz – Konjunktion – Satz.
    … 
Ich weiß, es gibt viel in der Medizin zu lernen, und alles ist neu. Es ist immer faszinierend, und es gibt nichts Erstaunlicheres als den menschlichen Körper. An den physisch harten Teil des Berufs gewöhnt man sich schnell, und du mußt auf deine Gesundheit achten. Ich hatte Mittwoch beim Golf eine achtzig, und ich putte jetzt besser …
    Berry brachte mich früh ins Bett und ging dann in ihre Wohnung. Ich war bald in die samtene Robe des Schlafes eingehüllt und strebte dem Traumkaleidoskop entgegen. Zufrieden, glücklich, gar nicht mehr verängstigt murmelte ich grinsend »Hallo, Traum« und war bald in Oxford, England, beim Mittagessen im
Senior Common Room
von Balliol College, rechts und links neben mir ein Fellow aus dem 7 . Jahrhundert. Wir aßen fades Essen von feinem Porzellan und diskutierten darüber, daß die pingeligen Deutschen nach fünfzig Jahren Arbeit an ihrem umfassenden Lexikon aller jemals benutzten lateinischen Wörter erst beim Buchstaben K angelangt waren. Und dann war ich ein Kind, lief nach dem Abendbrot mit dem Baseballhandschuh in der Hand in den Sommernebel, sprang im warmen Zwielicht hoch und höher, und
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