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Hotel Pastis

Hotel Pastis

Titel: Hotel Pastis
Autoren: Peter Mayle
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Schweiß. Simon öffnete ein Fenster, steckte sich zum Selbstschutz eine Zigarre an, setzte sich auf den Boden und griff zum Telefon.
    »Goodman Brothers, Levine, Russell and Fine.« Die Telefonistin hörte sich gelangweilt und ärgerlich an, als ob man sie beim Lackieren der Fingernägel und der Lektüre der Cosmopolitan gestört hätte.
    »Mr. Wilkinson, bitte. Simon Shaw am Apparat.«
    »Tut mir leid.« Jetzt klang die Stimme freundlich. »Mr. Wilkinson ist gerade in einer Besprechung. Wer, sagten Sie, ist dran?«
    »Shaw, Simon Shaw. Von der Shaw Group. Jetzt habe ich es Ihnen schon viermal gesagt. Mr. Wilkinson erwartet meinen Rückruf. Er sagte, es sei wichtig. Mein Name ist Shaw. Soll ich ihn buchstabieren?«
    Sie seufzte absichtlich laut, damit Simon es hören konnte. »Ich werde sehen, ob Mr. Wilkinson abkömmlich ist.«
    Du lieber Himmel. Zuerst eine taube Nuß am Telefon, und jetzt war er auch noch gezwungen, sich Ravels Bolero anzuhören, bis sich Wilkinson entschieden hatte, ob er nun abkömmlich war oder nicht. Nicht zum ersten Mal fragte sich Simon, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, die Firma in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln.
    In diesem Augenblick wurde Ravel abrupt unterbrochen, und Wilkinsons leicht gönnerhafte Stimme fragte: »Mr. Shaw?«
    Wen sonst erwartete er? »Guten Tag«, erwiderte Simon. »Sie wollten mich sprechen?«
    »So ist es, Mr. Shaw. Gerade eben hatten wir eine Besprechung, wir haben uns Ihr viertes Quartal angesehen.« Vom Tonfall her hätte er gut ein Arzt sein können, der mit einem schweren Fall von Hämorrhoiden konfrontiert war. Simon hörte Papier rascheln. »Diese Hochrechnung von Ihnen — korrigieren Sie mich bitte, wenn ich mich irre — entspricht mehr als vierzig Prozent Ihres Jahresumsatzes.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Aha. Glauben Sie nicht auch, daß das ein bißchen optimistisch ist, angesichts der gegenwärtigen Lage im Einzelhandel? Sie entschuldigen bitte, daß ich das so frank und frei sage, aber die City ist im Moment ein wenig beunruhigt, was den Werbesektor betrifft. Die Wirtschaftsinstitute sind nicht gerade überschwenglich gestimmt. Die Renditen sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Es wäre vielleicht ratsam, die Schätzungen ein wenig behutsamer anzusetzen, finden Sie nicht?«
    Da wären wir also mal wieder, stöhnte Simon innerlich. Lektion Nummer eins noch einmal ganz von vorn. »Mr. Wilkinson, die Werbebranche erzielt ihre Gewinne vor allem im vierten Quartal. So merkwürdig es auch ist, Weihnachten findet jedes Jahr im Dezember statt. Unternehmen inserieren. Konsumenten kaufen. Jeder gibt Geld aus. Wir haben jetzt Ende September, und alle Etats sind bewilligt. Sendezeiten und Inserentenspalten sind bereits vorgemerkt.«
    »Vormerkungen bedeuten nicht unbedingt, daß auch gezahlt wird, Mr. Shaw. Das wissen wir doch beide. Sind Sie wirklich überzeugt, daß alle Ihre Kunden finanziell auf sicheren Beinen stehen? Keine bevorstehenden Fusionen oder Übernahmen? Keine Cash-flow-Probleme?«
    »Meines Wissens nicht, nein.«
    »Ihres Wissens.« Es entstand eine Pause, in der Wilkinson seine Skepsis fühlbar werden ließ. Er gehörte zu den Menschen, die Schweigen wie einen Kübel eiskalten Wassers einsetzten. Simon versuchte es noch einmal. »Mr. Wilkinson, wenn uns nicht ein Atomkrieg oder eine Beulenpestepidemie dazwischenkommt, werden wir die Zahlen, die in unserer Hochrechnung stehen, erreichen. Sollte aber ein Krieg oder die Beulenpest ausbrechen, gehen wir vor die Hunde, genau wie der Rest der britischen Wirtschaft und möglicherweise sogar die Goodman Brothers.«
    »Vor die Hunde, Mr. Shaw?«
    »Bankrott, Mr. Wilkinson.«
    »Aha, verstehe. Möchten Sie Ihrem nicht gerade hilfreichen Kommentar noch etwas hinzufügen?«
    »Wie Sie sehr genau wissen, Mr. Wilkinson, hatte die Agentur in jedem der vergangenen neun Jahre wachsende Umsätze und wachsende Gewinne zu verzeichnen. Dies ist unser bisher bestes Jahr. Es verbleiben nur noch neunzig Tage, und es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß die von uns geschätzten Zahlen nach unten hin korrigiert werden müßten. Verlangen Sie eine Presseerklärung? Wenn ihr auch nur einen Funken Ahnung von der Werbebranche hättet, müßten wir nicht jeden Monat aufs neue dieses absurde Kreuzverhör durchspielen.«
    Wilkinsons Tonfall wurde reserviert, und mit jener Herablassung, mit der Männer vom Fach einem Streit aus dem Weg zu gehen pflegen, sagte er: »Ich bin davon überzeugt, daß man in der
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