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Horror-Horoskop

Horror-Horoskop

Titel: Horror-Horoskop
Autoren: Jason Dark
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dieser, der Schmalseite des Hauses, lief das Gerüst auch weiter. Zunächst sah ich nur die nasse Planke vor mir und den wirbelnden Regenschleier, der aus den tiefliegenden Wolken fiel und gegen das Haus gesprüht wurde. Erst beim zweiten Hinsehen entdeckte ich die Gestalt. Sie stand noch auf der Planke.
    Weshalb der Mann das tat, wusste ich nicht, denn eine nach unten führende Leiter befand sich in seiner Griffnähe. Sein Blick war nach rechts gerichtet, wo nur eine Handspanne neben ihm die Tiefe begann. Wenn er dort hinunterfiel, würde er kaum überleben. Peter Proust hatte Angst. Ich sah es zwar nicht seinem Gesicht an, dafür war es zu weit entfernt, aber er zitterte wie das Laub an den Bäumen. Den rechten Arm hielt er gesenkt. Aus seiner Hand schaute etwas Schwarzes hervor, die Waffe.
    Wenn ich ihn ansprach, musste ich sehr behutsam zu Werke gehen und durfte ihn auf keinen Fall erschrecken. Eine falsche Bewegung nur, ein rutschender Tritt, und es war aus. Auch sollte er nicht unbedingt meine Waffe sehen, deshalb presste ich den rechten Arm dicht an den Körper.
    »Mr. Proust!« rief ich.
    Der Mann zuckte zusammen. Er hob den rechten Arm, weil er schießen wollte und hörte mein »Nein, nicht!« Seine Bewegung stockte. Ich atmete pfeifend aus. Okay, so weit hatte ich ihn schon, dass er die Kontrolle teilweise über sich behielt. Das weitere konnte nur die Sachlichkeit und Ruhe bringen.
    »Bleiben Sie ruhig stehen, Mr. Proust«, sagte ich.
    »Und dann?«
    »Werde ich zu Ihnen kommen, sonst wird nichts geschehen.«
    »Nein!«
    »Bitte, Mr. Proust, seien Sie vernünftig! Ich will nichts von Ihnen.«
    »Weshalb sind Sie dann gekommen?«
    »Weil ich mit Ihnen reden möchte, das ist alles. Ich will Sie beschützen, Ihnen helfen…«
    »Das kann keiner.«
    »Lassen Sie es mich versuchen«, schlug ich vor.
    Er schnappte nach Luft. Wasser rann über sein Gesicht. Wie auch bei mir, war seine Kleidung ebenfalls tropfnass, und die Haare klebten wie eine dicke, dunkle Schicht auf seinem Kopf. »Was haben Sie denn vor?« rief er laut.
    »Zunächst einmal möchte ich, dass Sie Ihre Waffe wegstecken!«
    Er lachte kichernd. »Um mich dann abknallen zu können, wie?«
    »Ich schieße nicht.«
    »Das sagen die Bullen alle. Und wenn sie es getan haben, nennen sie es Notwehr.«
    Dieser Mann war nicht zu belehren. »Ich weiß nicht, welche TV-Serien Sie gesehen haben, Mr. Proust, aber was Sie mir da vorwerfen, würde ich nie tun.«
    »Ihr lügt!« schrie er und fuchtelte mit seiner Waffe herum. »Ihr lügt alle. Jeder, der sich in meine Nähe wagt, ist ein Lügner. Sie wollen mein Leben, Sie wollen…«
    »Es retten!«
    Er verstummte. Meine Worte mussten ihn wohl nachdenklich gemacht haben. Zu lange wollte ich auf diesem Gerüst und bei böigem Wind auch nicht stehen und fragte deshalb: »Soll ich Ihnen beweisen, dass ich es gut mit Ihnen meine, Mr. Proust?«
    »Wie denn?«
    »Geben Sie acht.« Ich hatte mich zum vollen Risiko entschlossen, bückte mich ein wenig und streckte dabei auch den rechten Arm aus. Dann warf ich die Beretta auf die Planken. Sie rutschte über das glitschige Holz und blieb in Reichweite des Mannes liegen.
    »Alles klar?« fragte ich.
    Er zögerte noch. Der innerliche Kampf, den er ausfocht, musste ihn ungemein stark mitnehmen. Er schüttelte den Kopf, nickte dann und fragte: »Gut, was wollen Sie?«
    »Können wir das nicht in Ihrer Wohnung besprechen?«
    »Wieso?«
    Ich lachte leise. »Hier ist es mir zu nass, wissen Sie…«
    »Ich will es nur kurz machen.«
    »Bitte, Mr. Proust.«
    Meine letzten Worte waren tatsächlich nicht ohne Echo geblieben. Zuerst nickte er, dann setzte er sich in Bewegung und ging einen Schritt auf meine Beretta zu. »Die nehme ich aber.«
    Ich hatte meine Deckung verlassen und stand waffenlos vor ihm. »Bitte, ich hindere Sie nicht daran.«
    Er richtete sein Schießeisen auf mich. Es war eine kleine Waffe, das Modell konnte ich nicht ausmachen, und er griff mit der freien Hand nach meiner Beretta. Sie steckte er ein, als er sich wieder aufrichtete. »Und jetzt drehen Sie sich um«, befahl er.
    »Wieso?«
    »Sie sollen vorgehen!«
    »Gut, wie Sie meinen, Mr. Proust.« Ich hatte wirklich keine Lust mehr, hier auf dem Gerüst und im Regen zu stehen. Das war eine Quälerei. Auch meine Kleidung hielt die Feuchtigkeit nicht mehr ab. Die Unterwäsche war bereits in Mitleidenschaft gezogen worden, zudem spürte ich die Nässe auch auf der Haut.
    »Aber gehen Sie nicht zu schnell!«
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