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Horror Factory - Pakt Mit Dem Tod

Horror Factory - Pakt Mit Dem Tod

Titel: Horror Factory - Pakt Mit Dem Tod
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verzweifelten Flucht war Herman aufgegangen, wie überaus schnell sich die lärmende Kinderschar zerstreut hatte, und vielleicht hatte es auch den einen oder anderen sonderbaren Blick gegeben, den er viel zu spät als das gedeutet hatte, was er wirklich bedeutete. Ganz genau wusste er es bis jetzt noch nicht.
    Als er auch nach einigen weiteren Augenblicken nicht antwortete, stieß ihm Matthew die flachen Hände vor die Brust, sodass er hilflos zurückstolperte und sofort wieder gestürzt wäre, hätte Frank ihn nicht aufgefangen und die Gelegenheit auch zugleich genutzt, um ihm den Arm auf den Rücken zu drehen, was ihm einen weiteren wimmernden Schmerzlaut entlockte.
    »Anscheinend hat er mich nicht verstanden, unser kleiner Schweinejunge«, sagte Matthew. »Verstehst du nicht, was ich sage? Oder kannst du nur in Bibelversen reden und dich wichtigmachen?«
    »Vielleicht sind seine Ohren ja so voller Schweinemist«, sagte Fred. »Oder sie sprechen da draußen gar nicht, sondern grunzen nur.«
    Matthew lachte schrill, aber da war plötzlich etwas in seinen Augen, das von diesem Lachen unberührt blieb und eher noch schlimmer wurde. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, und Hermans Herz machte einen weiteren erschrockenen Hüpfer in seiner Brust, als er sah, dass die dunklen Flecken auf seinen Knöcheln kein Schmutz waren, wie er bisher angenommen hatte, sondern eine dicke Hornhaut. Wie es aussah, schlug der Junge oft und gern mit diesen Fäusten zu, und überhaupt war er plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob Junge die richtige Bezeichnung war. Er mochte gerade einmal zehn oder elf Jahre alt sein, aber trotzdem schon lange kein Kind mehr, sondern etwas anderes, Böseres. Vielleicht war es vom Tag seiner Geburt an da gewesen.
    Etwas Sonderbares geschah, dass Herman in seiner Furcht und in diesem Moment nicht einmal bewusst registrierte, woran er aber dennoch oft und lange zurückdenken sollte, ohne jemals selbst zu begreifen, wie sehr dieser eine Moment sein ganzes zukünftiges Leben beeinflussen sollte:
    Zum allerersten Mal begriff er, dass es das Böse in seiner reinen Form gab, aber nicht so, wie es sein Vater und Reverend Folsom ihn gelehrt hatten. Es war keine abstrakte Macht, die hinter den Dingen lauerte und Worte und Gedanken und Taten der Menschen vergiftete, nichts Geerbtes, das vom Vater auf den Sohn und der Mutter auf die Tochter weitergegeben wurde, und auch keine lächerliche Gestalt mit Hörnern und Schweif und Dreizack, die allenfalls dazu taugte, kleine Kinder zu erschrecken und Reverend Folsoms Beutel mit noch mehr Ablass zu füllen.
    Es stand vor ihm. Es hatte eine Gestalt, und es würde ihm wehtun, nicht weil er ihm einen Grund dafür geliefert oder es gar verdient hatte, nicht einmal weil es ihm Freude bereitete, sondern ganz einfach nur, weil es das konnte.
    Und er hatte nicht die mindeste Angst davor.
    Natürlich hatte er Angst. Sein Herz raste. Seine Knie zitterten so sehr, dass er gestürzt wäre, hätte Frank ihn nicht mit demselben Griff festgehalten, mit dem er ihm gleichzeitig nahezu den Arm auskugelte. In seinem Mund war ein bitterer Geschmack nach Metall, und etwas Warmes lief an seinem Oberschenkel hinab. Aber es war nur die Angst vor dem, was Matthew ihm antun würde, die Angst vor seinen Fäusten und dem Versprechen auf kommenden Schmerz, das sie darstellten. Das andere, Schlimmere, diese reine, dunkle Bosheit, die er in Matthews Augen las, das machte ihm keine Angst.
    Es faszinierte ihn.
    Unter all dieser teilnahmslosen Bosheit, tief in diesen kalten Augen, die ebenso gut einer Maschine gehören konnten, die sich vergeblich bemühte, einen Menschen nachzuahmen, war etwas, das ihn rief.
    Es war unheimlich; wie ein kehliges Flüstern gerade unterhalb des überhaupt noch Hörbaren oder auch das Kratzen harter Spinnenbeine am Grunde seiner Seele. Da war etwas … Vertrautes, etwas, das er noch lange nicht war, aber um jeden Preis sein wollte , obwohl er nicht einmal genau wusste, was es war.
    »Was glotzt du mich so an, Schweinejunge?«, fauchte Matthew. »Glaubst du vielleicht, dass du damit zu –?«
    Er sprach nicht weiter, sondern presste die Lippen zu einem blutleeren schmalen Strich zusammen, und etwas blitzte in seinen Augen auf, von dem Herman annahm, dass es ihm eigentlich Angst machen sollte. Er ballte die Hände so heftig zu Fäusten, dass seine Knöchel wie trockener Reisig knackten. Aber aus irgendeinem Grund schlug er nicht zu, wenigstens noch nicht. Vielleicht nicht der
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