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Horror Factory - Der Behüter(German Edition)

Horror Factory - Der Behüter(German Edition)

Titel: Horror Factory - Der Behüter(German Edition)
Autoren: Malte S. Sembten
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Traum.
    Alenkas Blick richtete sich auf den Drucker. Dort lag noch immer der Papierstoß im Ausgabefach. Sie beugte sich vor, klaubte das erste Blatt vom Stapel und drehte es um.
    Es war leer.
    Rasch griff sie zum nächsten Blatt.
    Weiß.
    Verlor sie wirklich den Verstand? Sie raffte den Papierstoß an sich und blätterte ihn hastig durch.
    Leer … Leer … Leer … Leer … Le…
    Nein. Das unterste Blatt des Stapels war nicht leer, sondern zu zwei Dritteln bedruckt. Im unteren Drittel verblasste der Ausdruck. Danach war das Blatt weiß.
    Alenka blies die Luft aus. Da hatte sie die Erklärung: die Tintenpatronen waren leer, und die Farbe war verbraucht gewesen!
    Nur die ersten drei Fotos, auf denen die blutig geritzten Beine des Mannes abgebildet waren, hatte der Drucker noch hergegeben. Wie sollte Alenka mit diesem dürftigen Anhaltspunkt der Kirche der Behüter auf die Spur kommen?
    Ihr dämmerte eine Möglichkeit. Eine vage Möglichkeit, zugegeben. Aber es war die einzige, die ihr einfiel.
    In derselben Straße wie ihre frühere Fahrschule, nur wenige Hausnummern davon entfernt, befand sich ein Tattoo-Studio. Der Betreiber war ein großer Kerl, bierbäuchig, vollbärtig und mit Haaren bis zum Hintern, der selbst im Winter nur seine Lederweste überm bloßen, tätowierten Oberkörper trug. Also genau wie Klein Hänschen sich einen gestandenen Tätowierladen-Besitzer vorstellte. Die Subkultur der Körpermodifizierer kam Alenka sehr fremd vor. Der Anblick einiger extrem gepiercter Kunden des Ladens, die wie wandelnde Weihnachtsbäume aussahen, war ihr regelrecht furchteinflößend erschienen. Auch den Ladenbesitzer kannte Alenka nur vom Sehen her.
    Sie musste sich also wieder in die Welt hinaustrauen. Dorthin, wo ihre Feinde auf sie warteten.
    Alenka starrte in den Toilettenspiegel. Sie runzelte die Brauen. Krauste die Nase. Blähte die Nüstern. Presste die Lippen zusammen. Sie nahm ihre langen Haare und zog sie vors Gesicht. Ihre grünen Augen blickten ängstlich zwischen den blonden Strähnen hindurch. Sie würde sich verpuppen. Um als neuer Mensch in die Welt hinauszuschlüpfen. Niemand sollte sie wiedererkennen.
    Am selben Abend gab Alenka zahlreiche Bestellungen im Internet auf.
    Innerhalb der nächsten vier Tage trafen alle möglichen Päckchen und Pakete ein.
    Am fünften Tag stand Alenka vor dem hohen Spiegel an der Innenseite der Badezimmertür.
    Ihre Beine wuchsen aus schwarzen, schnallenverzierten Plateaustiefeln hervor, die sie zwölf Zentimeter größer machten, und steckten in schwarzen Cargohosen. Über dem schwarzen T-Shirt trug sie eine Bomberjacke, die ebenfalls schwarz war. Ihr ehemals hüftlanges Haar hatte sie kurz geschoren und mit dem Elektrohaarschneider zum militärischen Bürstenschnitt getrimmt. Anschließend hatte sie die Haare orangerot gefärbt und der Frisur mit Haargel einen ›Wet-Look‹ verliehen. Es sah aus, als würden Flämmchen aus ihrer Kopfhaut züngeln.
    Sie hob die Hand mit den schwarz lackierten Nägeln und setzte die Pilotenbrille auf. Das Gestell war schwarz, die Gläser rot getönt. Das Modell war auf 5,95 Euro herabgesetzt und im Onlinekatalog mit ›Pornobrille‹ getaggt gewesen.
    Sie formte einen Kussmund mit den schwarz bemalten Lippen. Ihr Outfit wirkte ziemlich cool, fand sie. Doch zugleich kam sie sich lächerlich vor. Die Aufmachung passte nicht zu ihr. Sie sah aus wie das, was sie ja auch war – wie jemand, der sich verkleidet hatte. Dass alle Teile fabrikneu waren, verstärkte diesen ›unechten‹ Eindruck noch.
    Egal. Sie sah jedenfalls anders aus als auf den Facebook-Bildern. Das war, was zählte.
    Und sie war erstaunt, wie leicht es ihr in dieser Maskerade fiel, die Zuflucht ihrer vier Wände hinter sich zu lassen.
*
    Für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wie Bus oder gar U-Bahn war sie noch nicht unerschrocken genug. Sie ließ sich von einem Taxi ans Ziel bringen.
    ›Ralf’s Tattoo-Studio‹, stand auf einem Schild über dem Eingang. Mit ›Deppen-Apostroph‹, dachte Alenka boshaft.
    Als sie das Studio betrat, bimmelte ein von der Tür angestoßenes Glöckchen – wie beim Tante-Emma-Laden.
    Sie nahm die Sonnenbrille ab. Das Studio war klein, offenbar ein Ein-Mann-Betrieb. Der Raum, in dem Alenka sich wiederfand, enthielt eine Warteecke mit einer Couch und einem niedrigen Tisch, auf dem Zeitschriften verstreut lagen. Außerdem sah Alenka eine Theke mit Registrierkasse sowie eine Wandvitrine, in der Ringe und Steine und anderer
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