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Horror Factory 10 - Rachegeist

Horror Factory 10 - Rachegeist

Titel: Horror Factory 10 - Rachegeist
Autoren: Christian Endres
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Danach kannst du dich frei bewegen.«
    »Ah. Sehr gut.«
    »Bis du dich ebenfalls ganz auflöst.«
    »Was?«
    Das Mistviech zuckt einmal mehr gleichgültig mit den Schultern.
    »Was dachtest du denn? Das hier ist nur eine Zwischenstation. Niemand kann ewig hierbleiben.«
    »Was heißt das, bis ich mich ganz auflöse?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe noch vier Leben. Es könnte noch ein wenig dauern, ehe ich das herausfinde.«
    »Für Katzen gibt es keinen Himmel, was?«
    »Aber auch keine Hölle.«
    »Touché.«
    Ich denke über das nach, was die Katze gesagt hat.
    »Ich darf mich nicht auflösen«, sage ich dann. »Nicht nach allem, was ich gerade erst herausgefunden habe.«
    Mit ihrem Blick und ihrer Körpersprache vermittelt die Katze mir das Gefühl, der dümmste Geist aller Zeiten zu sein, und erst da fällt mir auf, dass ich langsam zu akzeptieren beginne, was hier mit mir geschieht.
    Dass ich ein Geist bin.
    Dass ich mit einer Katze spreche.
    Dass ich Elizabeth und Marc irgendwie aufhalten muss, bevor sie mein Vermächtnis für ihre Zwecke missbrauchen.
    Dass ich mich an ihnen rächen muss.
    Aber wie soll ich das anstellen?
    Und wie viel Zeit bleibt mir dafür?
    Da kommt mir ein Gedanke.
    Ob sich die Katze einen schlechten Scherz mit mir erlaubt?
    »Was ist mit Spukgespenstern in irgendwelchen alten Häusern und Schlössern? Wenn wir mal davon ausgehen, dass es sie gibt. Die scheinen sich ja auch nicht aufzulösen.«
    »Sie sind bloß Echos längst aufgelöster Geister. Glaub mir, jeder hat nur eine bestimmte Zeit, bevor es weitergeht.«
    Sie sieht mich bedeutungsschwer an.
    »Wohin auch immer.«
    Ich gebe ihr keine Antwort.
    »Wohin auch immer«, wiederhole ich nur leise.
    Die Katze lässt ihrer Kehle einen Laut entsteigen.
    Schnurren klingt anders.
    Lachen Katzen so?
    Vermutlich.
    Da realisiere ich, dass das eigentlich eine Situation wäre, in der mich eine Flasche Rotwein beruhigen würde.
    Doch das Verlangen ist fort.
    Wie so vieles.
    »Meine Frau hat ein Verhältnis«, offenbare ich der Katze, die sich ohnehin schon an meinem postmortalen Elend weidet, weshalb es darauf auch nicht mehr ankommt. »Mit Marc. Meinem Assistenten. Meinem Freund. Aber ich wusste nichts davon. Ich habe die beiden erst nach meinem Tod zusammen gesehen. Vorher hatte ich nicht die leiseste Ahnung. Jetzt kann ich allerdings an fast nichts anderes denken, als mich an den beiden zu rächen. Verstehst du? Ich muss es den beiden heimzahlen. Vorher kann ich hier nicht weg.«
    Die Katze richtet sich auf, bedenkt mich mit einem dieser Blicke, den nur Katzen im Repertoire haben, und dreht sich mit einer unfassbar filigranen Bewegung auf der schmalen Fensterbank um.
    »Dann beeil dich besser.«
    Das ist alles, was sie noch über die Schulter an mich gewandt sagt, ehe sie leichtfüßig in den Garten springt und mich mit meinen Gedanken und Problemen allein lässt.
*
    Grüblerisch schwebe ich durch mein altes Arbeitszimmer.
    Denke über die beiden nach.
    Elizabeth und Marc.
    Marc und Elizabeth.
    Wann hat es wohl angefangen?
    Von wessen Seite ging es aus?
    Und warum habe ich nichts bemerkt?
    Oder habe ich sogar etwas bemerkt?
    Kann es sein, dass ich einfach nur die Augen vor der Sache verschlossen habe?
    Sie zu den anderen Wahrheiten gepackt habe, die man sich niemals eingestehen möchte?
    Zwischen Elizabeth und mir hat sich in den letzten Jahren unserer Ehe viel Routine eingeschlichen.
    Viel Distanz.
    Eine gewisse Grundverstimmung.
    Das ist nach so vielen gemeinsamen Jahren eben so.
    Denke ich.
    Trotzdem.
    Wollte ein Teil von mir es einfach nicht wahrhaben?
    Wenn es mich überhaupt interessiert hat.
    Sie hat schon nicht ganz unrecht.
    Meine Arbeit war mir meist wichtiger als alles andere.
    Als Elizabeth.
    Als Denise und Becca.
    Aber war sie mir auch wichtiger als das, was Elizabeth und Marc hinter meinem Rücken taten?
    Was sie trieben?
    Ich weiß es nicht.
    Natürlich fiel mir auf, wie vertraut die beiden miteinander gewesen sind, doch sah ich das als logische Konsequenz von Marcs Integration in unser Leben.
    In unseren Alltag.
    Selbst dass die beiden immer wieder mal gemeinsam Essen oder ins Kino gingen, wenn ich keine Zeit hatte, kam mir nie spanisch vor.
    Im Gegenteil.
    Ich dachte immer, Marc spielt den Pausenclown und hält mir den Rücken frei, sodass ich in Ruhe arbeiten kann.
    Nun.
    Zumindest wollte ich das glauben.
*
    Die Nacht ist die Hölle.
    Sie quält mich mit meinen eigenen Gedanken.
    Geister schlafen nicht, wie ich nun
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