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Horror Factory 10 - Rachegeist

Horror Factory 10 - Rachegeist

Titel: Horror Factory 10 - Rachegeist
Autoren: Christian Endres
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Unbehagen.
    Marc sieht verwirrt vom Brief auf.
    Elizabeth umfasst ihre Schultern, als würde sie frieren.
    »Nicht jetzt«, erklärt sie. »Nicht hier.«
    Ich schwebe direkt vor ihrem Gesicht.
    »Skrupel, Liebes?«, frage ich mit falscher Süße.
    Marc liest derweil schweigend zu Ende.
    »Wow. Sein letztes Manuskript«, sagt er schließlich. »Da werden sie sich im Verlag aber freuen. Donnie hat immer wieder danach gefragt. Aber Dylan hat sich hartnäckig in Schweigen gehüllt. Nicht mal mit mir hat er darüber gesprochen. Ich wusste, dass er an einem Roman arbeitet, aber … Wahnsinn. Er instruiert dich hier ganz genau, wie du vorgehen sollst. Hat sogar einen Wunschtermin für den Erstverkaufstag genannt.«
    Marc sieht sie erneut an.
    Elizabeth.
    Meine Frau.
    Nein.
    Meine Witwe.
    »An eurem Hochzeitstag.«
    Er schüttelt abfällig den Kopf.
    »Sentimentaler Trottel.«
    »Eigentlich möchte ich’s einfach ins Feuer werfen«, sagt Elizabeth mit einer Bitterkeit in der Stimme, die mich ehrlich erschüttert. »Seine beschissenen Bücher waren ihm immer wichtiger als alles andere. Wenn ich jetzt sein letztes Werk posthum veröffentlichen lasse, ist das wie ein Verrat an mir selbst. Als würde er sogar tot noch darüber entscheiden, was wichtig ist.«
    Das ist alles zu viel für mich.
    Das Herumgeistern.
    Elizabeth und Marc.
    Die Vorwürfe.
    Ich schwebe bis unter die Decke und drücke mich wie ein verwundetes Tier in eine Ecke.
    Der solide Widerstand hat nun etwas Tröstendes an sich, obwohl mein Leichnam wie eine bizarre Requisite in meinem Gesichtsfeld hängt.
    Elizabeth lässt ihrem Groll unterdessen freien Lauf.
    »Wenn er die Wahl hatte, mit den Mädchen zu spielen oder ein Kapitel zu Ende zu schreiben, hat er das verdammte Kapitel geschrieben. Wenn ich im Türrahmen stand und ihn fragte, wann er ins Bett kommt, hat er stoisch weitergetippt. Wie oft habe ich etwas zu ihm gesagt, er hat irgendetwas gebrummt, und später hatte er keine Ahnung, worum es ging!«
    Marc streckt den Arm nach Elizabeth aus.
    »Das passiert dir mit mir nicht«, sagt er sanft.
    »Das hoffe ich«, gibt Elizabeth aggressiv zurück.
    Das schwache Lächeln, das ihren Worten die Schärfe nehmen soll, kommt etwas zu spät, und sie merken es beide.
    »Ich verspreche es dir«, sagt Marc dessen ungeachtet.
    »Trotzdem«, meint er in der Folge wieder deutlich geschäftiger, »wäre es schade, das Manuskript einfach zu verbrennen. Dylan T. Woods letztes Meisterwerk? Viele Leute warten darauf. Das ist pures Gold.«
    »Verteidigt der treue Schüler jetzt seinen Meister? Dafür ist es etwas zu spät, oder?«
    »Darum geht es nicht. Hey. Wenn es dir hilft, können wir es auch unter meinem Namen veröffentlichen.«
    Angesichts der Ungeheuerlichkeit dieses Vorschlags verlasse ich meine Schmollecke und baue mich vor Marc auf, um ihm prüfend ins Gesicht zu blicken.
    »Warum, Marc?«, frage ich ihn leise und komme mir vor wie Caesar, dem ein Dutzend Messer aus dem Rücken ragt. »Warum?«
    In gewisser Weise antwortet er mir sogar.
    »Würde meiner Karriere sicher einen ordentlichen Schub geben«, erläutert er Elizabeth.
    Er grinst hoffnungsvoll.
    Gierig.
    Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich diesen schmierigen Dreckskerl mittlerweile hasse!
    Ich war außerdem ein Idiot.
    Ich habe niemandem etwas über mein Abschiedsgeschenk – meinen letzten großen Roman – erzählt.
    Ein fataler Fehler, wie ich nun begreife.
    »Wird das niemand merken?«, fragt Elizabeth.
    Marc winkt verächtlich ab, während er über die ersten Zeilen des Manuskripts fliegt.
    »Erinnerst du dich an die Kritiken zu meinem letzten Buch? Der Einfluss seines Mentors ist auf jeder Seite deutlich spürbar, bla, bla. Die werden bloß denken, dass ich mir noch etwas mehr Mühe gegeben habe, Dylans Stil zu imitieren, jetzt, da er tot ist. Oder wir sagen gleich, ich habe den Roman auf seine Bitte hin und nach seinem Exposé geschrieben, weil er durch die Chemo schon zu schwach dafür gewesen ist. Oder dass ich ihn mit seinem Segen zu Ende geschrieben habe. Irgend so was halt. Wäre ein ziemlicher PR-Stunt.«
    Elizabeth nagt an ihrer Unterlippe.
    »Lass uns später noch mal in Ruhe darüber reden.«
    »Klar. Wie du willst.«
    »Komm. Ich ruf jetzt die Cops.«
    An der Tür zögert Elizabeth.
    Sie blickt meine sterblichen Überreste so konzentriert an, dass ich mich schon der Hoffnung hingebe, sie könnte doch noch etwas Nettes über mich sagen.
    Über die Jahre, die wir miteinander geteilt
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