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Horror Factory 10 - Rachegeist

Horror Factory 10 - Rachegeist

Titel: Horror Factory 10 - Rachegeist
Autoren: Christian Endres
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weiß.
    Schon witzig.
    Früher hat es mich nie gestört, mir hier oben die Nächte um die Ohren zu schlagen und in die Tasten zu hauen.
    Wehmütig streiche ich über meine Tastatur, und einmal mehr gleiten meine Finger widerstandslos durch das von unzähligen Anschlägen glatt geschliffene, angekratzte Plastik.
    Was beinahe genauso schlimm ist wie Marcs Verrat.
    Von Elizabeth’ Betrug ganz zu schweigen.
    Ich fühle mich, als säße ich in einem tiefen Brunnen.
    Ganz unten.
    Es ist finster.
    Es ist kalt.
    Und ich bin ganz allein.
    Außerdem weiß ich, dass die Welt sich oben weiterdreht.
    Dass das Leben weitergeht.
    Und dass mein Assistent meine Frau vögelt.
    Ich sehe es förmlich vor mir.
    Wie sie Marcs sicheren Erfolg mit meinem Roman feiern.
    Wie sie sich voller Begierde küssen.
    Wie sie sich die Kleider vom Leib reißen.
    Wie sie wie die Tiere übereinander herfallen.
    Wie sie sich ineinander verknoten.
    Seine Lippen auf ihren Brüsten.
    Ihre Fingernägel auf seinem Rücken.
    Wie sie sich gegenseitig zum Höhepunkt peitschen.
    Es ist die Hölle.
    Nur wenig ist so grausam wie die eigene Fantasie.
    Mit ein bisschen Starthilfe ist sie das größte und grausamste Folterinstrument von allen.
    Speziell für einen Autor.
    Meine einzige Gesellschaft sind indes meine Zweifel.
    Diese bohrenden Zweifel, die mich auch tief unten im Brunnen der Einsamkeit erreichen.
    Ständig frage ich mich, ob ich es hätte merken müssen.
    Oder noch schlimmer.
    Ob ich es mir hätte eingestehen müssen.
    Habe ich einen Fehler gemacht, indem ich den beiden mit meinem Selbstmord einen Freifahrtschein ausgestellt habe?
    Hätte ich der Wahrheit ins Auge blicken müssen?
    Das, was auch immer Marc und Elizabeth da haben, mit dem Kampf gegen meine Krankheit sabotieren müssen?
    Und dann ist da noch diese andere Frage.
    Genauso bohrend.
    Genauso quälend.
    Wie viel Zeit bleibt mir noch, um mich an den beiden zu rächen?
    Und wie soll ich das in meiner jetzigen Form anstellen?
    Fast rechne ich damit, dass ich mich noch vor dem Morgengrauen auflöse.
    Mir nur diese eine Nacht bleibt.
    Eingesperrt in meinem Käfig.
    In dem Wissen, dass ich auch mit meiner Freiheit nichts anzufangen wüsste.
    Was passiert morgen, wenn es für mich einen Morgen gibt?
    Geister können doch nur nachts herumspuken, oder?
    Ich schwebe unruhig durch mein altes Arbeitszimmer.
    Wer hätte gedacht, dass die Dinge nach dem Tod noch immer so schwierig sein würden?
    Oder mache ich es mir nur unnötig schwer?
    Sollte mir das alles womöglich ganz und gar gleich sein?
    Scheiß auf Elizabeth und Marc.
    Scheiß auf meinen letzten großen Roman.
    Ich habe meine Entscheidung getroffen, oder?
    Vielleicht …
    Nein.
    So leicht kommen sie mir nicht davon.
    Und so zerbreche ich mir für den Rest der Nacht den Geisterkopf darüber, wie ich es den beiden heimzahlen soll.
    Wenn mich nicht meine Gedanken martern, ist es die Furcht davor, mich einfach aufzulösen, bevor diese Nacht vorbei ist.
    Bevor ich meine Rache bekommen habe.
    Die Verbitterung darüber, verraten worden zu sein.
    Alles ist schwarz.
    Bitter.
    Leer.
    Hasserfüllt.
    Verzweifelt.
    Es liegt eine gewisse Poesie darin, dass das Morgengrauen des Tages nach meinem Tod, vor dem ich mehr Angst habe als vor dem Tod selbst, das Grauen dieser Nacht beendet.
    Während hinter mir die Sonne aufgeht, lehne ich mich gegen den Fensterrahmen und denke noch immer intensiv nach.
    Auf einmal werde ich nach hinten gezogen.
    Stürze förmlich in die Schwerelosigkeit.
    Das war’s, schätze ich.
    Tageslicht.
    Endstation.
    Ich löse mich auf.
    Aber statt ins Nichts der Bedeutungslosigkeit überzugehen, gleite ich rückwärts durch die Außenwand des Hauses.
    Kurz verschlingen mich Dunkelheit und Desorientierung.
    Ich glaube, ich kreische.
    Heule wie ein Geist.
    Dann schwebe ich aufrecht im morgendlichen Garten.
    Die Frische berührt mich nicht.
    Die Vögel zwitschern leise.
    Sie ignorieren mich.
    Eine Amsel hüpft sogar einfach so durch mich hindurch.
    »Wurde auch Zeit«, begrüßt mich die Katze aus dem Schutz der ausladenden alten Kiefer, die hier schon groß und stolz aufragte, als wir das Haus gekauft haben.
    »Hast du etwa auf mich gewartet?«, frage ich, noch immer etwas mitgenommen und unsortiert.
    »Das hättest du wohl gern. Ich liege oft hier.«
    »Hab dich vorher noch nie hier gesehen.«
    Die Katze lacht wieder ihr eigenartiges Katzenlachen.
    »Wann warst du schon mal so früh auf?«
    Das ist mir nicht mal eine Antwort wert.
    »Warum habe
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