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Horror Factory 10 - Rachegeist

Horror Factory 10 - Rachegeist

Titel: Horror Factory 10 - Rachegeist
Autoren: Christian Endres
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Katze zu belustigen.
    »Wie? Normalerweise kommen erst ein paar Zweifel.«
    »An Klischees zweifelt man nicht.«
    »Heißt das, dir ist es egal, wieso ich dich sehen kann?«
    »Diese Frage kam mir tatsächlich in den Sinn.«
    Die Katze nickt wissend, antwortet jedoch nicht.
    »Ach so. Du wartest darauf, dass ich sie stelle, oder?«
    »Bitte.«
    »Also schön. Wieso kannst du mich sehen?«
    Der Katze macht das offensichtlich großen Spaß.
    »Weil ich eine Katze bin«, erwidert sie genüsslich.
    »Faszinierend. Danke. Und was antwortest du mir, wenn ich dich frage, wie ich aussehe?«
    Ich habe kein Spiegelbild mehr.
    Es ist verstörend, nicht zu wissen, wie man aussieht, weshalb es mich brennend interessiert, wie sie mich sieht.
    Als halb transparentes Abbild meines früheren Ichs?
    Als flimmernde Kontur?
    Als dunstige Wolke?
    Als helle Flamme?
    Als schwebendes Bettlaken?
    Wie manifestieren sich Gedanken und das, was übrig bleibt?
    Andererseits werde ich wohl nicht zu spektakulär aussehen, so gelangweilt, wie mich der Gartenpanther ansieht.
    »Wir Katzen sehen die Welt anders als ihr«, lautet dann auch die geheimnisvolle Antwort, die offen lässt, ob damit Menschen oder Geister gemeint sind.
    Oder beide.
    »Wirklich? Interessant.«
    Ich überlege, wie ich das Vieh dazu bringen kann, mir etwas wirklich Interessantes zu erzählen.
    Vielleicht durch einen Frontalangriff.
    »Kannst du mir auch sagen, was hier los ist?«
    »Du bist gestorben.«
    »Danke, das ist mir bereits aufgefallen.«
    »Nicht so undankbar«, warnt die Katze schnurrend.
    »Ach?«
    »Du hast Glück, dass ich es bin, mit dem du dich unterhältst«, bekomme ich von oben herab erklärt.
    Für jemanden, der anderen Leuten zwischen die Blumen kackt, ist das Vieh ganz schön von sich eingenommen.
    »Sagtest du eben nicht, alle Katzen können Geister sehen?«
    »Sehen heißt noch lange nicht wissen. Aber ich weiß genug. Darum solltest du nett zu mir sein.«
    Die Katze verstummt, und mir wird klar, dass ich sie schon wieder aktiv zum Weiterreden animieren muss.
    Deshalb war ich wohl immer mehr der Hunde-Typ.
    »Und wie kommt es, dass du mehr weißt als andere?«
    »Anastasia«, sagt die Katze, als würde das alles erklären.
    Wenigstens fährt sie diesmal von sich aus fort.
    »Sie glaubt, sie sei eine Hexe. Hält Séancen ab und verkauft Liebestränke und Flüche. Man kriegt zwangsläufig ein bisschen was mit, wenn man in so einem Haus wohnt.«
    Ihr Ton macht klar, dass es außerdem ganz schön schwierig ist, in eben solch einem Haus zu leben.
    Mein Mitleid hält sich in Grenzen.
    Ich blicke durch das Fenster auf die andere Straßenseite.
    Die alte Lady hat immer einen suspekten Eindruck auf mich gemacht, obgleich ich sie eher für jemanden gehalten habe, der nie richtig aus Woodstock nach Hause gefunden hat.
    Schließlich sehe ich erneut die Katze an.
    »Also, was kannst du mir sagen?«
    Das Tier fixiert mich wie eine Sphinx.
    »Was möchtest du wissen?«
    Ich überlege kurz.
    »Wieso bin ich hier? Wieso kann ich keine anderen Geister sehen, wenn es das ist, was uns nach dem Tod erwartet? Oh, und wenn wir schon dabei sind: Wieso kann ich nicht durch Wände gehen und das Zimmer hier nicht verlassen?«
    »So viel zum Thema Klischees«, spottet die Katze.
    »Du weißt also keine Antwort.«
    Die Mieze sieht mich herausfordernd an.
    »Wieso du die anderen Geister nicht sehen kannst, entzieht sich tatsächlich meiner Kenntnis.«
    »Du siehst also noch andere Geister?«
    Die Katze zuckt schnurrend mit den Schultern.
    »Was sorgst du dich um andere Geister?«, fragt sie. »Die Frage sollte eher lauten, wieso du nicht woanders bist.«
    »Das wird jetzt aber keine theologische Debatte, oder?«
    Darauf habe ich so gar keine Lust.
    Ich möchte meinen Glauben weder vor einer Katze noch vor mir selbst erörtern.
    Am Ende stellst sich sonst noch heraus, dass da doch etwas ist, auf das ich hoffe.
    Die Katze scheint meine Gedanken zu lesen.
    Jedenfalls mustert sie mich kühl.
    »Mit euren seltsamen Ritualen habe ich nichts zu schaffen. Es spielt auch keine Rolle, woran du glaubst. Das hier ist nur eine Übergangsphase, bis sich deine Seele … dein Geist … endgültig von dieser Welt befreit hat und weiter kann.«
    »Ich muss also nicht für immer in diesem Zimmer herumspuken?«
    »Nein.« Die Katze blickt mich unverwandt an und sagt zum ersten Mal ohne die übliche Herablassung: »Die Barriere, die dich unmittelbar am Ort deines Todes hält, löst sich nach und nach auf.
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