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Horror Factory 02 - Crazy Wolf: Die Bestie in Mir

Horror Factory 02 - Crazy Wolf: Die Bestie in Mir

Titel: Horror Factory 02 - Crazy Wolf: Die Bestie in Mir
Autoren: Christian Endres
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bin und zum ersten Mal diese ganz besondere Mischung aus Kälte und Schmerzen gekostet habe.
    Den Geschmack von Blut in meinem Mund.
    Ich kotzte gerade Blut und Haare und Hautreste auf den zerfetzten, blutgetränkten Schlafsack meines besten Freundes Jamie, als Mom die Tür öffnete, hinter der sie sich verschanzt haben muss, als die Geräusche angefangen haben.
    Sie sah mich an.
    Nicht vorwurfsvoll.
    Nicht entsetzt.
    Nicht angewidert.
    Nicht ängstlich.
    Nur traurig.
    So, wie ich mir das aus ihrem Abschiedsbrief zusammenreimte, hab ich den leicht vorgeschobenen Unterkiefer dem Genpool ihrer Familie zu verdanken, während die heftige Form von Mondsucht auf meinen Vater zurückgeht, den ich nie kennengelernt habe.
    Meine Mutter nannte ihn immer einen Fehler.
    Untertreibung des Jahrtausends, wenn ihr mich fragt.
    Manchmal überlege ich, wie es für sie gewesen sein muss, all die Jahre nach meiner Geburt.
    Die Ungewissheit.
    Das Warten auf die Stunde X.
    Das Bangen und Hoffen.
    Das Beten.
    Ich hab sie allerdings nie beten sehen.
    Nicht, dass ihr jetzt was Falsches über sie denkt.
    Sie war eine großartige Mom.
    Hat mich nie was merken lassen und sich alle Mühe gegeben.
    Und es war nicht leicht für sie, als alleinerziehende Mutter in der nördlichen Provinz, das dürft ihr mir glauben.
    Ich könnte jetzt natürlich sagen: Verdammt, manchmal, da hat sie mich eigenartig von der Seite angesehen, wenn sie dachte, ich würd’s nicht merken.
    Aber nicht mal das hat sie getan.
    Großartige Frau, wie gesagt.
    Eine Schande, dass sie mich in meiner dunkelsten Stunde, als ich nackt und blutverschmiert und verängstigt zwischen den angefressenen Leichen meiner Freunde stand, alleingelassen hat und den kleinkalibrigen Ausweg nahm.
    Sie hätte mich wenigstens mitnehmen können.
*
    Ich erinnere mich nur noch vage an die Wochen und Monate nach meiner ersten Vollmondnacht als Wolf.
    Wenn mal jemand auf die Idee kommt, einen Film aus meinem Leben zu machen, wird man diese Phase vermutlich als meine Hobo-Jahre bezeichnen.
    In meiner Erinnerung ist es eine endlose Ansammlung von Wochen, in denen ein ausgemergelter, fahler Teenager verloren über die weit verzweigten Gleise in der oberen Landeshälfte irrt, zerfressen von der Erinnerung an das, was er seiner Mutter und seinen Freunden angetan hat.
    Wahrscheinlich ganz gut, dass ich nicht mehr viel aus diesen Jahren weiß.
    Eines weiß ich aber noch ganz genau.
    Jeder Vollmond war die Hölle.
    Was nicht heißen soll, dass die Tage und Nächte dazwischen besser waren.
    Als Kind hab ich mich noch viel öfter spontan verwandelt, sobald ich Angst hatte oder mich bedroht fühlte.
    Was unter den Hobos oft genug der Fall gewesen ist.
    Ein kleiner Junge ist Freiwild für viele der Arschlöcher, die ihre an die Wand gefahrenen Leben in den Güterwaggons und den finsteren Herzen der alten Rangierbahnhöfe fristen.
    Für all die verkommenen Scheißkerle, die den netten Typen, die wirklich nur Pech gehabt haben, den Ruf versauen.
    Damals verwandelte ich mich ein bis zwei Mal pro Woche, egal, was der Mond sprach.
    Weil man mir ein Springermesser an die Kehle setzte.
    Weil irgendein spindeldürrer Irrer, voll auf Heroin, mich anbrüllte und mit einer zerbrochenen Flasche aufschlitzen wollte, um die Jungfrau Maria vor den Fliegen zu retten.
    Weil zwei Typen mich festhielten und meine Rufe mit schwieligen Händen und zerschlissenen Wollhandschuhen erstickten, während der dritte Kerl seine Hose runterließ.
    Viel zu oft hieß es damals:
    Weiterziehen.
    Schnell.
    Unauffällig.
    Wie ein Geist.
    Wahrscheinlich hätte man mich sofort geschnappt, hätte ich nicht unter den Hobos gewildert.
    Ein Chip oder Jack oder Joe mehr oder weniger auf den alten Bahnhöfen und Gleisen - wen kümmert’s schon?
    Selbst die Hobos nahmen es anfangs eher gelassen.
    »Ein Scheißbär.«
    »Diese verdammten Kojoten werden immer dreister.«
    »Das war bestimmt Marvins verfickter Pitbull, das hinterhältige Vieh. Dem Ungeheuer sollte man ’ne Kugel verpassen.«
    Eine Kugel hätte man dem Ungeheuer wirklich verpassen sollen.
    Nicht dem Pitbull.
    Dem Ungeheuer in Gestalt eines Jungen, der neben seinem verschlissenen Rucksack eine Schuld mit sich herumschleppte, die so viel größer war und so viel schwerer wog als er selbst.
    Der sich mit Zähnen und Klauen durch die Reihen der Hobos pflügte und ihr Blut an so vielen Morgen in den Wald kotzte.
    Ich war mehr als ein Streuner.
    Ich war ein Serienkiller.
    Irgendwann war ich dann
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