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Hornblower 02 - Leutnant Hornblower

Hornblower 02 - Leutnant Hornblower

Titel: Hornblower 02 - Leutnant Hornblower
Autoren: C. S. Forester
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unbeherrschter Hysterie, das ihm hier geboten wurde, und zwar in einer Weise, die jedes ertragbare Maß überstieg. Er hatte das Gefühl, als müsse ihm eine Ader platzen, wenn er Marias Wasserkünsten nur noch eine Minute länger zusah.
    »Es ist das beste, wir gehen«, sagte er zu Hornblower.
    Hornblower antwortete ihm mit einem überraschten Blick. Er war überhaupt noch nicht auf den Gedanken gekommen, daß er sich einer Lage durch die Flucht entziehen könnte, für die er sich nach seiner ganzen Wesensart mitverantwortlich fühlen mußte. Dagegen glaubte Bush genau zu wissen, daß Maria in absehbarer Zeit ganz von selbst wieder zur Vernunft kam. Er hatte schon erfahren, daß sich Frauen heute den Tod wünschten und schon morgen wieder so munter waren wie junge Fohlen, wenn sie nur ein anderer in die Wange kniff. Jedenfalls konnte er beim besten Willen nicht einsehen, was ihn und Hornblower diese Aufregung anging, die Maria einzig und allein sich selbst zuzuschreiben hatte.
    »Oh!« stöhnte Maria auf. Sie taumelte nach vorn und stützte sich verzweifelt auf den Tisch mit der erkaltenden Kaffeekanne und den halbverzehrten Koteletts. Dann hob sie wieder den Kopf und begann von neuem zu jammern.
    »Tun Sie mir den einzigen Gefallen...«, sagte Bush voll Widerwillen. Dann wandte er sich an Hornblower:
    »Ich gehe, kommen Sie doch mit.«
    Als Bush die Treppe erreicht hatte, merkte er, daß ih Hornblower nicht gefolgt war, und mußte sich sagen, daß er auch nicht mehr kommen würde. Bush konnte sich einfach nicht dazu entschließen, noch einmal umzukehren und ihn zu holen.
    Es wäre ihm nie eingefallen, einen Kameraden in Gefahr im Stich zu lassen, er war der erste, wenn es galt, ein Boot zu bemannen und durch die schwerste Brandung zu fahren, wenn es galt, Männern in Not zu Hilfe zu eilen, er hätte nicht eine Sekunde überlegt, Hornblower kämpfend beizuspringen und sich, wenn nötig, mit ihm von einer Übermacht in Stücke hauen zu lassen - und doch brachte er es in diesem Augenblick nicht über sich, zurückzueilen und Hornblower zu retten, weil er nur zu genau wußte, daß er doch nichts ausrichten konnte, wenn Hornblower jetzt eine Torheit beging. Er beruhigte sein Gewissen, indem er sich vorsagte, daß Hornblower am Ende viel zu klug war, eine Torheit zu begehen.
    Droben in der Dachkammer machte sich Bush daran, sein Nachthemd und das Waschzeug zusammenzupacken. Er nahm ein Stück nach dem anderen vor, Rasiermesser, Kamm, Haarbürsten und so weiter, und prüfte, ob er nichts vergessen hatte. Darüber beruhigten sich seine gereizten Nerven, die Aussicht auf die unmittelbar bevorstehende Aktivierung und Verwendung in der kämpfenden Flotte stand ihm eigentlich erst jetzt in ihrer köstlichen Gewißheit vor Augen und brach wie die Sonne durch das verziehende Gewölk seines Ärgers. Er begann in falschen Tönen vor sich hinzusummen. Es empfahl sich bestimmt, noch einmal in der Werft vorzusprechen, außerdem war es ratsam, sich in Keppels Head sehen zu lassen und dort mit den anderen Offizieren über die tolle Neuigkeit von heute morgen zu reden. Beides war von Vorteil, wenn er möglichst bald zu seinem Posten kommen wollte. Den Hut in der Hand, klemmte er das saubere Paket mit seinen Sachen unter den Arm, warf einen letzten Blick im Zimmer umher, um sicher zu sein, daß er nichts vergessen hatte, und zog, noch immer summend, die Dachkammertür hinter sich ins Schloß.
    Als er die letzten Treppenstufen erreichte und eben im Begriff war, die Diele zu betreten, hielt er mit einem Fuß in der Luft eine Sekunde lang inne - nicht, daß er sich überlegt hätte, ob er das Speisezimmer betreten sollte, nein, er legte sich nur zurecht, was er jetzt sagen wollte, wenn er den beiden wieder gegenübertrat.
    Maria hatte ihre Tränen getrocknet. Ihre Haube saß zwar noch immer schief, aber sie lächelte doch wenigstens wieder. Auch Hornblower lächelte, wahrscheinlich war er froh, daß Maria endlich aufgehört hatte, zu weinen. Als Bush eintrat, wandte er den Blick zur Tür und schien überrascht, ihn mit Hut und Bündel zu sehen.
    »Ich lichte meinen Anker«, sagte Bush. »Es ist mir nur noch ein Bedürfnis, mich für Ihre Gastfreundschaft zu bedanken, Sir.«
    »Wie...?« sagte Hornblower. »Es muß doch nicht sein, daß Sie jetzt schon aufbrechen.«
    Bush hatte wieder die Anrede Sir angenommen, wenn er mit Hornblower sprach. Sie hatten eine Menge miteinander erlebt und wußten auch vieles voneinander. Jetzt gab es wieder
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