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Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)

Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)

Titel: Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)
Autoren: Joachim Masannek
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Doch Will blieb verschwunden. Und mit jedem Tag, der verging, schwand die Aussicht darauf, dass er lebte. Zu viele Haie durchstreiften das Meer und die waren hungrig. Nachdem Nat die Leiber der Schlangen, der Schwestern von Valas samt ihrer milbenförmigen Helme, den Schlachtschiffen von Gagga, Talleyrand und seinen vermummten Soldaten am Abend des ersten Tags nach ihrem Sieg im Ozean versenkt hatte.
    »Es tut mir leid. Aber so muss es gewesen sein! Die Haie haben Will …« Nat versagte die Stimme, als er an diesem Abend zurückkam. Er kletterte müde an Bord und reichte Hannah eine vor Nässe triefende graublaue Wollmütze. Die hatte er aus dem Meer gefischt. »Gehört die nicht Will?«, fragte er heiser, und Hannahs Pupillen weiteten sich. Sie ertränkten ihre rehbraunen Augen in glanzlosem Schwarz.
    »Nein!«, flüsterte sie. »Das kann nicht wahr sein. Nein. So kann Will nicht sterben. Er verschwindet nicht einfach. Der geht mit ’nem Knall.« Sie sah Nat flehend an. Er sollte ihr zustimmen.
    Doch Nat blieb ernst. Ernst, vorsichtig, sanft. »Aber das ist seine Mütze. Da gibst du mir recht.« Er bekam keine Antwort. »Hannah, es macht keinen Sinn, noch länger zu suchen.«
    Da schwankte das Mädchen. Ja, Hannah war noch ein Mädchen. Das fühlte sie jetzt. Ein neunzehnjähriges Mädchen, dem etwas ganz, ganz Wichtiges fehlte. Die etwas verloren hatte, was sie zum Leben brauchte. Wie Luft, die man braucht, um atmen zu können. Sie schwankte und fiel und Nat fing sie auf.
    »Bring mich zum Rochen. Bring mich auf mein Schiff«, flüsterte sie und verlor das Bewusstsein.
    »Oh, bring mich auf mein Schiff!«, wiederholte Prinz Gagga. Er stand hinter Will in der Kommandozentrale und beobachtete Nat und Hannah auf dem Tatonka durch eines der magischen Augen in der Bordwand der Milbe. »Bring mich auf mein Schiff. Das gefällt dir doch, Will. Sie will nichts von Nat. Sie trauert um dich. Oh, das willst du doch sehen. Das will jeder sehen, der die große Chance hat, seine eigene Beerdigung zu sehen. Doch wer trauert, braucht Trost. Ja, und Hannah braucht das besonders. Sieh dir doch Nat an, wie er sie umarmt. Wie er sie anschaut, und, oh, jetzt streichelt er sie. Würde jemand das tun, wenn der andere nichts von ihm will? Und warum ist Hannah nicht schon jetzt auf dem Rochen? Was hat sie drei Tage auf dem Bison gemacht? Drei Tage und Nächte?«
    Will sagte kein Wort. Doch er spürte die giftige Wirkung von Gaggas Worten. Sie durchtränkten sein Blut und drangen ihm ins Herz.
    »Ich weiß, das ist schwer«, seufzte Gagga mitfühlend und schielte dabei zum Schwarzen Baron. Der stand wieder schweigend auf der Türschwelle. »Aber das, was du da gesehen hast, ist schon vorgestern Abend passiert. Und jetzt kommen wir zur gestrigen Nacht. Huh, jetzt wird es pathetisch.«
    Er ging zu einem der anderen Fenster und stieß mit dem Zeigefinger hinein. Das, was bis dahin wie Glas ausgesehen hatte, verwandelte sich in eine weiche Membran. Quecksilberflüssig schlug es kreisrunde Wellen, und als die verebbten, sah man das Meer von oben aus der Perspektive der Möwen: Die drei Piratenschiffe fuhren nebeneinander. Rechts Hannahs Rochen, links Nats Tatonka, und in der Mitte tanzte Finns kleiner Dreispitz auf den immer höher werdenden Wellen.
    »Es ist etwas stürmisch für ein Begräbnis. Aber sie haben es eilig«, säuselte Gagga und spuckte beim Sprechen in Wills linkes Ohr. Das Ohr über dem Herzen. »Trotzdem. Genieß es. Man stirbt ja nur einmal«, kicherte er und ließ Will allein.
    Der sah, wie sich alle auf den Schiffen versammelten. Auf dem Tatonka und dem Fliegenden Rochen – der Dreispitz war menschenleer. Hannah trat auf die Brücke zwischen den Rümpfen und sie sah atemberaubend aus. Sie trug die Kleider, die er nur zu gut kannte. Er hätte sie nie im Leben vergessen können. So hatte sie sich für ihn gekleidet, als sie aus Old Nassau vor Blind Black Soul Whistle geflohen waren. Als er endlich bei ihr und Pirat sein durfte, obwohl er doch erst vierzehn war.
    Die Stiefel, die sie trug, waren einfach fantastisch. Die Schäfte reichten bis über die Knie, und die Stulpen, die aus ihnen wuch sen, ließen ihre Beine endlos wirken. Darüber trug sie einen Rock aus schwarz-türkis schimmernden Federn. Das weiße Hemd war mit Ketten geschmückt und die rote Jacke ließ ihre Taille so atemberaubend schlank erscheinen. Ja, und ihre Schultern so stolz. Die wurden von blonden Haaren umweht. In geschwungenen Locken oder in Zöpfen
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