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Honky Tonk Pirates - Das vergessene Volk - Band 2

Honky Tonk Pirates - Das vergessene Volk - Band 2

Titel: Honky Tonk Pirates - Das vergessene Volk - Band 2
Autoren: PeP eBooks
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Schlüssel geklaut. Den Schlüssel zu einer Truhe, die nur er öffnen durfte. Und wie es so kommen musste, hatten sie mich gestellt. Sie, damit meine ich Ratten-Eis-Fuß und seinen Kumpanen, den Windschiefen Cutter. Die haben mich kurzerhand ausgesetzt. Irgendwo dort, ein paar Seemeilen östlich. Im Gegensatz zu hier konnte man die Küste nicht sehen. Sie hatten mich einfach in einen Sarg gelegt und den Deckel zugenagelt.«
    Hannah schloss die Augen und holte tief Luft.

    »Seitdem halte ich es in geschlossenen Räumen nicht aus. Deshalb schlafe ich immer dort oben, unter dem Krähennest.« Sie deutete nach oben, wo unter dem Ausguck des linken der beiden mittleren Masten eine kokonähnliche Schlafmatte hing. »Ich hab mir die Fingernägel abgekratzt und ich habe geschrien. Könnt ihr euch vorstellen, wie ich geschrien habe?«
    Hannah machte eine Pause und versuchte sich zu beruhigen.
    »Das wünsche ich niemandem. Denn das ist mit das Schlimmste, was es auf der ganzen Welt gibt. Lebendig begraben«, sie schüttelte ihren Kopf, um die Erinnerung zu verscheuchen. »Es war überall Blut. Es lief aus meinen Fingerkuppen und Knöcheln, mit denen ich auf den Sargdeckel eingeschlagen hatte. Es tränkte meine Haare. So viel Blut war da. Und ich schrie immer noch. Ich schimpfte und fluchte und schließlich weinte ich nur. Ich weinte, ohne einen Ton herausbringen zu können.«
    Jo hing voller Mitgefühl an Hannahs Lippen und selbst Will hob jetzt seinen Blick. »Das kenne ich«, flüsterte er und wischte sich die blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht, als wären es Tränen.
    Für einen Moment sahen sich Hannah und er ganz tief in die Augen. Himmelhellblau verschmolz mit Dunkelrehbraun.
    »Ich weinte so lange, bis ich ohnmächtig wurde. Dann verlor mich die Zeit und die wirkliche Welt. Das glaubte ich wenigstens. Ich fieberte bunte, verrückt-wirre Sachen. Ich schwebte durch Tunnel und Höhlen und über Wiesen und Wälder. Ich fand eine Sonne und in der saß ein Mann. Er war wie du, Moses, nur nicht ganz so verrückt.« Hannah konnte sich das Grinsen jetzt nicht verkneifen. »Er mochte mich, wisst ihr, er fand mich nicht zickig, und er hat mir gesagt, dass ich
wieder zurückgehen muss. Ich muss, sagte er, obwohl ich’s nicht wollte. Obwohl ich bei ihm bleiben wollte. Denn da war’s so schön. Doch er hat mir einfach einen Tritt in den Hintern verpasst, und als ich ihn deshalb beschimpfen wollte, lag ich wieder im Sarg, der Deckel war wie durch ein Wunder geöffnet und die Sonne schien mir direkt ins Gesicht.«
    »Das gibt es nicht«, raunte der kleine Jo. »Und es ist dir kein Regentropfen auf die Nase gefallen?«
    »Nein«, lachte Hannah. »Doch ich hatte es mir gewünscht. Ich war am Verdursten und das Blut war noch da. Es war durch die Ritzen des Sarges gesickert und hatte eine Armee von Haien angelockt.Weiße und blaue und die mit dem Hammerkopf. Sie schabten am Sarg und kämpften um die für sie sichere Beute.«
    »Ja, ich hasse die Biester!«, schimpfte Jo und fasste sich an den Hals. »Wenn Will nicht gewesen wäre, hätten die mich gefressen. Damals, auf dem Schiff vom Schwarzen Baron.«
    »Ich weiß«, nickte die junge Piratin. Sie suchte Wills Blick und der sah in das Feuerwerk aus Goldstaub, das jetzt in ihren Augen explodierte. »Aber ich hatte keinen Will«, ergänzte Hannah mit rauchiger Stimme. »Auch wenn ich ihn mir so sehr gewünscht hätte. Ich war allein. Und so trieb ich den ganzen Tag auf den Wellen, bis er sich plötzlich, kurz vor der Dämmerung, aus dem Horizont schälte. Er kam aus dem Nichts. Die Farbe der Rümpfe verschmolz mit dem Schwarzblau des Wassers und die Segel standen wie silbermeerblaue Wolken im Wind. Doch dann war er da. Majestätisch, einzig- und fremdartig und atemberaubend.«
    »Der Fliegende Rochen«, flüsterte Will.
    »Ja, der Fliegende Rochen!«, raunte Hannah. »Und er kam direkt auf mich zu. Ich musste nur über die Haie hinweg an die
Bordwand springen und dann kletterte ich auch schon an den Seilen, die dort vertäut hingen, aufs Deck. Ja, und dort sah ich die silbernen Zeichen, die in das Holz eingearbeitet waren. Ich hörte ihre Stimmen und ihren Gesang.
    »Ja, die hab ich auch gehört und ich höre sie immer noch.« Will strahlte über das ganze Gesicht.
    »Ja, und wenn man ihnen zuhört, kann man sie auch verstehen. Nicht im Klang, aber in ihrer Bedeutung. Und so führten sie mich auf die Brücke. Dort lag ein Beutel, ihr kennt ihn inzwischen: Als ich ihn öffnete und den
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