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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch
Autoren: Jutta Mehler
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Debatte über die von Fanni und Sprudel aufgestellten Hypothesen entwickelte.
    »Du hattest auf ganzer Linie recht«, sagte Sprudel.
    »Unsinn«, widersprach Fanni, »ich habe Severin Ruckerbauer als Schuldigen an Irinas Unfall nie in Betracht gezogen. Insgeheim dachte ich immer, ein und derselbe Täter habe beide Mädchen auf dem Gewissen. Als Doc Haller in seinem Keller all die Ungeheuerlichkeiten zugab, die er verübt hatte, habe ich fest damit gerechnet zu hören, dass Irinas Tod auch auf sein Konto ging. Und außerdem – nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass Irina den Bach schon fast überquert hatte, als sie hineinstürzte.«
     
    »Meinst du nicht«, fragte Leni, nachdem Fanni aufgelegt hatte, »dass ihr beide, du und Sprudel, eine Menge Geld sparen würdet, wenn du dich dazu entschließen könntest, zu ihm nach Ligurien zu ziehen?«
    Fanni sah zuerst Leni an, dann ließ sie den Blick über die Wohnungseinrichtung schweifen – das Klavier, auf dem Leo spielen gelernt hatte, die gerahmten Fotos von ihren Kindern und von Max und Minna, die überall in den Regalen standen – die Bücher.
    »Ich helfe dir, die Bücher zu verpacken«, sagte Leni, »dreißig Stück pro Karton, macht hundert Schachteln voller Bücher. Kein großer Auftrag für eine Speditionsfirma mit den nötigen Kapazitäten.«
    Fanni trat nah an Leni heran, legte ihr die Hand auf den Arm und sagte: »Was würde ich schon dabei gewinnen, Erlenweiler nach Ligurien zu verlegen?«
    »Vielleicht fällt es dir irgendwann ein«, entgegnete Leni lachend. Dann wurde sie ernst. »Ich sehe mal nach Jonas. Sein Vater hat ihn heute aus dem Krankenhaus abgeholt, und mich würde schon interessieren …«

19
     
    Fanni ging in den Garten hinaus, um eine Handvoll Schnittlauchstängel für den Tomatensalat zu holen, den sie später fürs Abendessen zubereiten wollte. Sie bückte sich, setzte das Messer an und schrie. Eine schwere Pranke hatte sich auf ihre Schulter gelegt.
    »Frau Rot?«, grollte eine tiefe Stimme.
    Fanni biss die Zähne zusammen und richtete sich auf.
    Die Pranke war verschwunden. Stattdessen fand sie sich einem Grizzly gegenüber.
    »Matyáš Labém«, sagte er.
    Fanni schluckte. »Der Bäckerssohn aus Bergreichenstein?«
    Der Grizzly nickte. Er hatte eine schwarze Mähne, einen dunklen Bart, der schon mehr als drei Tage überlebt hatte, und eine Statur wie ein – eben.
    Stark wie Bär, geduldig wie Kamel und gutmütig wie Kindchen von Schaf!
    Letzteres hoffe ich sehr, dachte Fanni und fragte: »Wie haben Sie mich gefunden?«
    Der Grizzly zeigte ihr die Gelbe Karte.
    Fanni starrte das Papier an. Endlich ging ihr auf, dass es sich um ihren Büchereiausweis handelte.
    »War in Ritze von Tresen«, sagte Matyáš Labém. »Alena hat aufbewahrt. Sie mich hergeschickt, mit Ihnen sprechen. Alena sagt, winzige Fanni Rot klüger als aufgeblasene Polizei – wird verstehen, wird helfen.«
    Fanni bat Matyáš Labém ins Haus.
    Er musste sehr lange radebrechen, bis ihr klar wurde, was ihm widerfahren war.
    Er selbst, seine Eltern, Irinas Großmutter und mit ihnen halb Bergreichenstein waren seit vielen Jahren der Ansicht gewesen, dass er und Irina zusammengehörten. Nur Irina wollte nichts davon hören. Mehr und mehr verrannte sie sich in diese irrwitzige Idee von einem Ehemann mit einem Bankkonto wie Bill Gates und glaubte, sie in einem Bordell in Cheb verwirklichen zu können.
    Etliche Monate vergingen, dann kam sie wieder nach Bergreichenstein, besuchte ihre Großmutter und erzählte ihr, sie habe in Cheb ihre Koffer gepackt und wolle sich einen Job jenseits der Grenze suchen. Nach einigen Wochen erhielt Alena eine Ansichtskarte mit einem Farbfoto der Waldhausalm. In diesem Lokal, schrieb Irina, würde sie als Bedienung arbeiten.
    »Könnte besser nicht passieren«, gab Matyáš wieder, was Alena damals zu ihm sagte: »Wird Irina selbst sehen, dass Bäckersfrau sein ist viel nobler als sein Kellnerin.«
    Matyáš begann zu hoffen.
    Eines Tages befand er sich in Zelezná Ruda, um sich auf dem Vietnamesenmarkt mit CDs einzudecken, da sah er Irina. Sie verschwand soeben in einem Haus schräg vis-à-vis der Spielbank.
    Er sah sich die Namen über den Klingelknöpfen an. »Eva Kosak«, »Karel und Ana Mlyn«, »I. S.«.
    Matyáš war verwirrt. Irina arbeitete in Zwiesler Waldhaus und wohnte in Zelezná Ruda. Warum?
    Er trieb sich eine Weile vor dem Haus herum, und dabei kam er auf die Idee, sich die in der Nähe geparkten Autos anzusehen. Die
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