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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch
Autoren: Jutta Mehler
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Proviant einzudecken. Leni wollte lieber in Gesellschaft ihres Computers zu Abend essen.
    »Mein Gott, Leni«, flüsterte Fanni zurück. »Das spielt doch jetzt keine Rolle. Kommt es nicht einzig und allein darauf an, diesen langen Tag totzuschwätzen? Mit Schlawiner Böckl, mit Säge Praml, mit Krüppel Weber, mit Pendler Molk.«
    Leni prustete. Fanni hatte genau die Namen verwendet, mit denen Hans Rot gemeinhin seine nun anwesenden Nachbarn bedachte. Sie gab ihrer Mutter einen Kuss auf die Backe, sagte: »Warum besuchst du mich mit deiner Kaffeetasse nicht für ein Stündchen in meinem Zimmer?« und verzog sich.
    Fanni hätte am liebsten den Rest des Tages in Lenis Zimmer verbracht. Aber sie wusste, dass ihr Mann lauthals nach ihr rufen würde, sobald sie aus seinem Sichtfeld verschwand. Da war es wohl besser, in der Küche zu rumoren und in regelmäßigen Abständen für ein, zwei Minuten den freien Stuhl am Esszimmertisch zu besetzen. An keinem anderen Tag im vergangenen Jahr war Fanni so nahe daran gewesen, ihre Koffer zu packen und in einen Zug nach Genua zu steigen, um nie wieder nach Erlenweiler zurückzukehren.
    Sie horchte auf, weil im Esszimmer plötzlich alle durcheinanderriefen. Im nächsten Moment sah sie Böckl aus dem Haus stürmen und den Erlenweiler Ring hinunter auf seine Einfahrt zurennen.
    Hatten sich Hans Rot und Böckl gestritten? Fanni eilte ins Esszimmer hinüber.
    »… nicht mehr mit rechten Dingen zu«, sagte Frau Praml gerade.«
    »Wundert mich nicht, dass ihm mal einer die Visage poliert hat«, sagte Hans Rot.
    »Wir wissen doch gar nicht, was ihm passiert ist«, sagte Herr Weber.
    Es dauerte eine Zeit lang, bis Fanni herausfand, worum es hier ging. Böckl hatte soeben auf seinem Handy einen Anruf erhalten, der ihn darüber informierte, dass sein Sohn Jonas mit einer nicht ungefährlichen Verletzung ins Zwiesler Krankenhaus eingeliefert worden war.
    »Den Jonas hat doch jemand auf dem Kieker«, meinte Molk. »Zuerst der BMW, jetzt er.«
    »Wo ist denn der – ähm – Unfall geschehen?«, fragte Fanni.
    »In Böhmisch Eisenstein, ganz in der Nähe vom Spielcasino«, bekam sie zur Antwort. »Einer von den Angestellten dort hat ihn ins Krankenhaus gefahren und dann Böckl angerufen.«
    Die erschreckende Nachricht erlöste Fanni frühzeitig von ihren Besuchern. Sie verabschiedeten sich bald.
     
    Am Mittwochnachmittag gegen zwei klingelte Kommissar Hofer an der Haustür. Er überreichte Fanni einen Herbstasternstrauß und sagte, er wolle sich damit – ganz inoffiziell natürlich – bei ihr bedanken. Ohne Fannis Courage wäre man Doc Haller nie und nimmer auf die Spur gekommen.
    Fanni bat Hofer ins Haus, ließ ihn ins Esszimmer eintreten, stellte die Blumen ins Wasser und kochte Kaffee.
    Hofer trank Tasse um Tasse, während er erzählte, was Severin Ruckerbauer bei seinem letzten Verhör eingestanden hatte. Fanni versuchte, sich den Jungen vorzustellen, obwohl sie ihm nie begegnet war. Sie kannte nur ein Zeitungsbild von ihm, das einen schlaksigen jungen Kerl zeigte, hellhaarig, hübsch, mit einem leicht arroganten Zug um den Mund.
     
    Irina hatte Severin vor ihrem Unfall schon seit Tagen mit Beschimpfungen und Vorwürfen attackiert.
    Als ob das seine Schuld gewesen wäre, sagte Severin, dass sie schwanger geworden war und sich dazu auch noch mit Syphilis infiziert hatte. Er sei ja nichts anderes gewesen als ein Vermittler. Was könne der Server für die E-Mails, die verschickt werden, der Postbote für die Briefe, die Telefongesellschaft für die …
    Außerdem, sagte Severin, wäre Irinas kleines Problem doch recht einfach zu lösen gewesen. Das Kind konnte sie abtreiben, und um die Syphilis loszuwerden, musste sie nur ein paar Penicillinpillen schlucken.
    Aber statt cool zu bleiben und Nägel mit Köpfen zu machen, sei Irina in Panik geraten. Bevor er sie zur Vernunft bringen konnte, sei sie zu Annabel gerannt und habe ihr die ganze Sache brühwarm aufgetischt.
    Daher also wusste Schneewittchen, was der geheime Azrael trieb!
    »Hat sie sich damit den Schanker vom Hals schaffen können oder den Bastard?«, rief Severin erbittert. »Hat sie nicht. Dafür ist es ihr gelungen, Annabel aufzuscheuchen. Was glauben Sie, was ich zu hören bekam?«
    Perverses widerwärtiges Schwein?
    Severin Ruckerbauer war stinkwütend auf Irina Svetla. Nachdem er eine erboste Annabel in der Falkenstein-Schutzhütte abgesetzt hatte, stürmte er nach Hause und schaltete seinen Computer ein, um sich bei World
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