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Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Titel: Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)
Autoren: Albert Karer
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nicht interessiert, geht an ihm vorbei. Sie werden von ihm nie eine ausgefüllte Steuererklärung erhalten. Er kann das nicht, weil er es nicht für wichtig hält. Außerdem habe ich den Verdacht, dass ihn geschriebene und ungeschriebene Gesetze nicht interessieren. Er macht, was er für richtig hält. Da könnten Sie noch einige unangenehme Überraschungen erleben.“
    „Und haben Sie eine Idee, warum er sich mit der chinesischen Sprache und mit Molekulargenetik auseinandersetzen will? Eine seiner Forderungen an uns war, dass wir ihn dabei unterstützen sollen“, sagte Brian mit einem Seitenblick auf die Uhr.
    „Unterstützen Sie ihn! Unbedingt. Damit gewinnen Sie sein Vertrauen und er wird sich Ihnen gegenüber öffnen. Ich vermute, es hat etwas mit seiner Begabung zu tun. Chinesisch in geschriebener Form ist eine Symbolsprache, und die Molekulargenetik setzt sich mit codierten Erbinformationen der DNA auseinander. Vermutlich interessieren ihn die Codestrukturen, die Muster. Er wird wohl darauf gestoßen sein, als er sich über seine Erbkrankheit informierte.“
    Während sie noch sprach, hatte Brian begonnen, seinen Schreibtisch aufzuräumen. „Verzeihen Sie, Frau Taydon, aber ich muss jetzt los. Wir setzen das Gespräch bald fort. Ich möchte, dass Sie die einzige psychologische Betreuungsperson für Feist bleiben. Ist das für Sie in Ordnung?“
    „Das wollte ich Ihnen auch vorschlagen. Ich werde noch einige Tests mit ihm durchführen, es wäre hilfreich, wenn Sie mir so viel wie möglich von seiner Vorgeschichte besorgen könnten.“
    Brian reichte Mary Taydon die Hand. „Auf gute Zusammenarbeit.“ Sie nahm seine Hand und drückte sie fest. „Mary, wenn es Ihnen recht ist?“
    Brian hatte selbst kurz mit dem Gedanken gespielt, ihr das Du anzubieten, es dann aber gelassen, da er eine ablehnende Reaktion befürchtete. Er erwiderte den festen Händedruck: „Brian, und danke für die Unterstützung.“
    Brian besorgte am gleichen Tag die gewünschten Informationen zu Tobias, die meisten Unterlagen gab es zum Mord an Tobias’ früheren Chef Jakob Schell und dessen Mitarbeiterin Lisa Schlattmann.
    Mary Taydon kam zu dem Schluss, dass diese Morde die Ursache des Grolls sein mussten, den Tobias Feist tief in sich trug.

Chinesische Karrieren
    Dérúgo Feng, chinesischer Botschafter in Großbritannien, genoss die U-Bahn-Fahrt durch London: die stickige Luft, die verschmutzten Bahnhöfe, den Verfall, der in jeder Ecke lauerte. Es war für ihn zu einem kleinen Ritual geworden, vor entscheidenden Ereignissen ein bis zwei Stunden in der Londoner Underground zu verbringen. Seinen Personenschutz hatte er am Anfang damit fast in den Wahnsinn getrieben. Da er allerdings allzu viele Menschen auf engem Platz nicht vertrug, verzichtete er zumindest freiwillig darauf, zur Rushhour unterwegs zu sein.
    Die U-Bahn hielt an der Station Regent’s Park, von hier waren es nur einige Hundert Meter zur Chinesischen Botschaft am Portland Place. Er war jetzt knapp eine Stunde unterwegs gewesen. In gehobener Stimmung verteilte er großzügig Fünf-Pfund-Noten unter den zahlreichen Obdachlosen, die seinen Weg zur Oberfläche säumten. Die einstige Weltmacht wortwörtlich am Boden, dieses Elend gefiel ihm.
    Der November hatte gut begonnen. In der ersten Woche hatte ORGANICA die europäische Zulassung für einen neuen implantierbaren Computerchip, den Personal Identification Chip, kurz: PID erhalten.
    Die Idee war, zukünftig alle personenbezogenen Daten auf diesem Chip zu speichern. Vom Namen über Pässe, Zeugnisse, Akten bis zum vollständigen Genom. Den Chip würde die ORGANICA zu einem Selbstkostenpreis von knapp zwei US-Dollar pro Stück auf den Markt bringen.
    Der PID war allerdings nur der grundlegende Baustein eines wesentlich umfassenderen Systems: des Intelligent Men Identification & Administration Systems, kurz IMIAS. Die Pläne für eine auf IMIAS ausgerichtete Produktpalette lagen bereits fix und fertig in der Schublade, sie sollten in einer eigenen Unternehmung produziert und verkauft werden. Neben den Hardwareprodukten für das Lesen und Beschriften der PID-Chips würden die Softwaresysteme für die Datenverwaltung und später auch der Zugriff auf die Daten das große Geld bringen. Keine Behörde, Universität, Klinik oder sonstige öffentliche Einrichtung würde in Zeiten von PID und IMIAS noch eigene Datenbanksysteme unterhalten müssen. Die Daten wären auf dem PID des Trägers und in einem zentralen Datenbanksystem
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