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Homicide

Homicide

Titel: Homicide
Autoren: David Simon
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notwendig, um eine Geschichte mit einem längeren Spannungsbogen zu erzählen. Ich war natürlich auch froh, dass auf diese Weise das Buch neue Leser fand. Noch vor der letzten Folge der NBC-Serie waren eine Viertelmillion Exemplare verkauft worden. Trotzdem stand ich der Sache mit gemischten Gefühlen gegenüber.
    Nachdem ich die drei ersten Drehbücher gelesen hatte, schrieb ich ein langes Memo für Barry Levinson und Tom Fontana, in dem ich ihnen die Feinheiten gewisser Ermittlungstechniken und rechtlicher Bestimmungen erläuterte. Nein, man kann nicht einfach die Wohnung eines Verdächtigen stürmen, nur weil ein Polizist geträumt hat, dass sich dort die Tatwaffe befindet. Erst braucht man einen hinreichenden Tatverdacht, dann kann man bei einem Richter einen Durchsuchungsbefehl beantragen und so weiter und so fort etc. pp. …
    »Unser Sachbuchexperte«, nannte mich Fontana daraufhin mit einem gewissen Unterton.
    Einige Male ging ich auch zum Set und stand dort herum wie jeder andere Besucher. Auch die Detectives ließen sich ab und zu dort blicken, normalerweise mit ihren Ehefrauen oder Freundinnen, die mal Danny Baldwin oder Kyle Secor sehen wollten. Einige ließen sich alstechnische Berater anheuern, saßen vor den Monitoren und gaben ihre Ratschläge, wenn sie gefragt wurden, und zum Leidwesen der Filmcrew manchmal auch, wenn sie nicht gefragt wurden.
    Für einen unvergesslichen Moment sorgte Harry Edgerton, als er zusah, wie Frank Pembleton – sein Alter Ego am Set – in einer Bar einen Scotch und ein Glas Milch bestellte. »Cut!«, rief er laut.
    Barry Levinson sah seinen technischen Berater an, als hätte er ein Wesen von einem anderen Stern vor sich. Regieassistenten und Producer-Trainees stürzten herbei, um den Fehler auszubügeln.
    »Aber so etwas würde ich nie im Leben trinken«, sagte Edgerton später zu mir. »Scotch und Milch? Mal im Ernst, Dave, wenn das Leute sehen, die mich kennen, was denken die dann von mir?«
    Schließlich wurde Gary D’Addario, der sich durch Taktgefühl und Diskretion auszeichnete, der einzige Berater am Set. Irgendwann übernahm er auch eine Filmrolle als Leiter der Sondereinsatzkräfte. Mit der Zeit verlor die Filmerei den Reiz des Neuen, und die Detectives kamen seltener. Und ich auch. Mir erging es wie wahrscheinlich allen Buchautoren am Filmset: Ich hatte das Gefühl, dort völlig fehl am Platz zu sein.
    Der Fairness halber sei erwähnt, dass mich eine der Produzentinnen, Gail Mutrux, gefragt hatte, ob ich mich als Autor des Pilot der Serie versuchen wolle. Völlig ahnungslos, um wie viel Geld es dabei ging, schlug ich aus. Ich sagte Gail – sie war es eigentlich, die zuerst auf
Homicide
aufmerksam geworden war und den Stoff Levinson für eine Fernsehserie empfohlen hatte –, sie solle lieber jemanden engagieren, der was von der Sache verstehe, damit das Projekt eine Chance habe. Ich könne ja später einsteigen und die eine oder andere Folge schreiben, wenn die Serie erfolgreich angelaufen sei.
    Fontana und Levinson kamen darauf zurück. Als ich dann später zusammen mit David Mills, einem Freund aus den Tagen der Collegezeitung, mein erstes Drehbuch einreichte, war es so düster und schonungslos, dass die NBC es in der ersten Staffel der Serie nicht verwenden wollte. Erst ein Jahr später, bei der nur vier Episoden umfassenden zweiten Staffel, wurde es verwendet, aber nur, weil Robin Williams als Gaststar gewonnen werden konnte.
    Ich habe immer noch den ersten Entwurf des Skripts mit all den Anmerkungenvon Tom Fontana in dicker roter Tinte. Die Szenen waren lang und die Dialoge noch länger, und alles war mit jener Art von Regieanweisungen durchsetzt, die den Amateur verrät. Nachdem Tom und Jim Yoshimura einige Szenen für den Gaststar eingebaut und die Dialoge gekürzt hatten, verblieb Mills und mir noch etwa die Hälfte der Autorschaft.
    Ich empfand das als persönliche Niederlage – auch noch, nachdem die Episode den Preis der Writer’s Guild of America gewonnen hatte –, und ich nahm es als Gelegenheit, mir klarzumachen, wo mein eigentlicher Platz war. Ich machte mich wieder an meine gewohnte Arbeit bei der
Sun
und begann mit den Planungen für das zweite Buch über ein Jahr im Leben der Drogenszene von West Baltimore. Mills verließ seinen Posten bei der
Washington Post
und ging nach Hollywood. Nachdem er bei
NYPD Blue
eingestiegen war, rief er mich an und sagte mir, dass sich ein Autor glücklich schätzen dürfe, wenn er es bei seinem ersten
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