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Home Run (German Edition)

Home Run (German Edition)

Titel: Home Run (German Edition)
Autoren: John Grisham
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etwas anzunehmen«, sage ich.
    »Er hat dir und Jill jeweils zehntausend Dollar vermacht«, wirft Agnes ein.
    Die Beute vor der Beerdigung teilen erscheint mir geschmacklos, aber ich sehe darüber hinweg. »Ich kann natürlich nicht für Jill sprechen«, informiere ich die beiden, »aber ich will das Geld nicht. Er hat mir keinen Cent gegeben, als ich in der Highschool oder auf dem College war oder mal etwas extra gebraucht habe, und jetzt will ich sein Geld nicht mehr.«
    »Darum werden sich dann wohl die Anwälte kümmern müssen«, sagt Lydia, und ich habe den Eindruck, dass sie mit Anwälten einige Erfahrung hat.
    »Ja, vermutlich.«
    »Außerdem hat er fünfundzwanzigtausend Dollar einem Baseballfeld in Calico Rock, Arkansas, vermacht«, bemerkt Agnes.
    Jetzt muss ich doch lächeln. »Das ist schön.« Gut für Warren.
    Ich werde nicht fragen, wie groß der Nachlass ist – es ist kein guter Zeitpunkt dafür, und eigentlich ist es mir auch egal. Beim Nachlassverfahren werde ich es sowieso erfahren.
    Wir gehen nach nebenan in die Kapelle. Vor der ersten Bank warten etwa zwanzig Senioren, die miteinander flüstern und augenscheinlich bester Stimmung sind. Dresscode ist die in Florida übliche Freizeitkleidung für Senioren – Sandalen und keine Jacketts oder Krawatten. Ich stelle mich diesen Leuten nicht vor. Ich werde sie nie wiedersehen, und ich will jetzt auf keinen Fall Anekdoten austauschen und darüber reden, wie großartig mein alter Herr doch war. Ich gehe davon aus, dass es Nachbarn, Golfpartner oder Freunde von Agnes sind und dass keiner der Männer Profibaseballspieler war und in einem Team mit Warren Tracey gespielt hat. Und ich weiß ganz genau, dass keine Spieler der Mets-Mannschaft von 1973 anwesend sind.
    Die Kapelle hat dunkle Steinmauern und fühlt sich an wie ein Kerker. Über Lautsprecher wird ein angemessen traurig klingendes Kirchenlied eingespielt. Ein Mann in einem Anzug bittet uns, Platz zu nehmen. Gott sei Dank gibt es keine reservierten Plätze für die Familie. Ich verziehe mich nach hinten. Agnes hat noch keine einzige Träne vergossen, und ich vermute, sie wird nicht die Einzige sein, die es ohne Taschentuch durch die Trauerfeier schafft. Freunde und Familie sitzen da und warten, während die Stimmungsmusik ihre Wirkung tun soll.
    Ich weiß nicht, warum ich hier bin. Warren ist tot, und wenn er jetzt zusehen könnte, würde er sich einen Dreck darum scheren, ob ich dabei bin oder nicht. Das Konzept, jemandem die letzte Ehre zu erweisen, ist einfach lächerlich. Dem Verstorbenen ist es egal. Er liegt im Sarg oder, wie in Warrens Fall, in einer kleinen blauen Urne neben dem Podium.
    Was hat Yogi Berra einmal gesagt? »Geh immer auf die Beerdigung anderer, sonst kommen sie nicht zu deiner.«
    Ein Mann in einem schwarzen Talar kommt herein, vermutlich einer vom Priester-Schnelldienst, da Warren Tracey nie einer Kirche angehört hat. Vielleicht ist Agnes gläubig. Der Priester unterhält sich kurz mit ihr, tröstet sie und steigt dann auf ein kleines Podium, wo er wie Charlton Heston am Roten Meer die Hände ausbreitet und sagt: »Willkommen.«
    Leise öffnet sich die Tür hinter mir, was meine Aufmerksamkeit erregt. Drei Männer betreten die Kapelle – Red Castle, dann Joe mit seinem Stock, gefolgt von Charlie. Sie setzen sich lautlos in die letzte Bank. Alle drei tragen marineblaue Blazer und weiße Hemden und sind von allen Anwesenden mit Abstand am besten angezogen.
    Zuerst bin ich schockiert, aber eigentlich überrascht es mich nicht. Was für eine schöne, noble Geste.
    Ich stehe auf, gehe nach hinten und setze mich auf die Bank vor ihnen. »Danke, dass Sie gekommen sind«, flüstere ich Red zu. Alle drei nicken. »Was tun Sie in Florida?«
    Charlie deutet auf Joe. »Joe wollte einen Ausflug mit dem Auto machen.«
    »Willkommen«, sagt der Priester in unsere Richtung, dieses Mal etwas lauter. Mein Blick richtet sich auf ihn, und er sieht aus, als wollte er uns gleich auf die Finger schlagen, weil wir während seiner Predigt geredet haben. Ich bleibe, wo ich bin, bei den Castles, und wir erdulden gemeinsam ein bedeutungsloses Ritual, das auf dreißig quälenden Minuten ausgedehnt wird. Der Höhepunkt ist eine Trauerrede von Marv Irgendwem aus – natürlich – dem Golfklub. Marv erzählt eine slapstickartige Anekdote über eine Partie Golf mit Warren. Warren fuhr das Golfwägelchen. Sein Ball war im Wasser. Er kam zu nah an den Rand des Teichs, das Wägelchen kippte um, Marv wäre
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