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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe
Autoren: Katrin Tempel
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hatte Tom festgestellt: »Erik kennt nur ein einziges Gesprächsthema. Und das ist Erik. Finde ich etwas ermüdend auf die Dauer!«
    Womöglich hatte er sogar recht. Ich griff nach einer Flasche Bier, lächelte in die Runde und erklärte: »Ich brauche jetzt ein Beruhigungsmittel. Meine Mutter hat gesagt, ich soll es mit Hopfen versuchen!«
    »Und man sollte seiner Mutter nie widersprechen!«, meinte Sandra grinsend und prostete mir zu.
    Als ich eine Stunde später ins Bett ging, verschwendete ich wirklich keinen Gedanken mehr an das Buch, das in Handtücher eingeschlagen auf meinem Schreibtisch lag. Ich fiel in einen tiefen und traumlosen Schlaf.
    Erst am nächsten Morgen verpackte ich das Buch in trockene Küchenhandtücher und bettete es dann in ein Paket, in dem ihm nichts Schlimmes passieren konnte. Nachdem ich es in der Post abgegeben hatte, fühlte ich mich erleichtert. Jetzt musste ich mich wenigstens ein paar Tage lang nicht mehr darum kümmern.
    Den Rest des Wochenendes lenkte ich mich mit meiner Seminararbeit ab, während mein Knie dank eines Quarkwickels wieder auf normalen Umfang abschwoll. Als ich am Montag als eine der ersten Studenten in die Bibliothek kam, konnte ich nichts Ungewöhnliches bemerken. Es sah nicht so aus, als ob irgendjemand das alte Buch vermisste. Wahrscheinlich war ich seit Jahren die Erste, die diesen unbedeutenden alten Schinken aus dem Regal gezerrt hatte. Und so vertiefte ich mich in leichter verdauliche moderne Fachliteratur über die Rosenkriege und das Machtstreben der Heinrichs und Richards. Meine Notizen füllten die Seiten, ich war bester Dinge und davon überzeugt, dass ich den Plan meiner Mutter einfach perfekt umsetzte.
    Bis mein Handy zwei Tage später mit einer neu erhaltenen Nachricht leise in meiner Tasche vibrierte. Sie war von Erik.
    »Heute Abend Party bei mir. Kommst du? Bring Bulgursalat mit!«
    Was war das? Ein Friedensangebot? Oder wieder einmal mein gedankenloser Freund, der sich nicht vorstellen konnte, dass ich in diesem Augenblick möglichst wenig von ihm sehen wollte. Die mahnenden Worte meiner Mutter klingelten in meinen Ohren, als ich auf dem Nachhauseweg im Supermarkt schnell noch Bulgur, Tomaten, Gurken, Zitronen und einen großen Bund Petersilie einkaufte. Eine Party hatte ich mir nach den letzten Tagen verdient, redete ich mir selber ein. Ich würde mich bestimmt gut amüsieren und musste ja nicht unbedingt mit Erik reden.
    Und so schnipselte ich die Zutaten für den Bulgursalat und freute mich auf einen Abend, den ich nicht in Gesellschaft der angestaubten Lancasters verbringen würde. Eine Menge Studenten aller möglichen Fachrichtungen, alle fröhlich und in Feierlaune – das würde mir sicher guttun.
    Mit meiner Salatschüssel in der Hand drückte ich zwei Stunden später auf die Klingel zu Eriks Wohnung. Er öffnete und strahlte mich offensichtlich nicht mehr ganz nüchtern an. »Lena! Was hast du denn gemacht? Hat sich eine deiner Tomaten mit dir angelegt?« Er lachte, als wäre ihm da ein besonders toller Scherz gelungen.
    Mir gelang nur ein windschiefes Lächeln, während ich mit der freien Hand nach meinem Gesicht griff, das immer noch von Schrammen und grüngelben Flecken verziert war. »Ach, das ist nichts!«, erklärte ich mit einem Schulterzucken. »Ich bin vor ein paar Tagen im Regen vom Fahrrad gefallen.«
    Ich drückte ihm die Salatschüssel in die Hand und marschierte an ihm vorbei in die Küche, wo ich auf ein Glas kalten Wein hoffte. Das hätte es sicher auch gegeben. Aber leider saß Silke am Küchentisch, vertieft in ein Gespräch mit einem dunkelhaarigen Betriebswirtschaftler, den ich von irgendwelchen Partys kannte. Ich wich zurück und versuchte im Wohnzimmer mein Glück. Schummriges Licht, ein Pärchen küsste sich auf einer Couch, ein anderes tanzte zu der Musik, die Erik für romantische Stunden reserviert hatte. Schrecklich. Wo war hier die Party mit den gut gelaunten Studenten, auf die ich gehofft hatte?
    Ohne dass ich es bemerkt hatte, tauchte Erik hinter mir auf. »Die meisten kommen erst später«, erklärte er auf meinen fragenden Blick hin. »Bis dahin können wir doch schon mal was trinken? Was kann ich dir bringen?« Er sah mich dabei völlig unbefangen an – und ich fragte mich für einen Augenblick, ob ich mir seine Rede vor ein paar Tagen womöglich eingebildet hatte. Ich griff nach dem Glas, das er mir hinhielt.
    »Was feiern wir eigentlich?«, erkundigte ich mich. Sein Geburtstag war erst im August,
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