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Holunderküsschen (German Edition)

Holunderküsschen (German Edition)

Titel: Holunderküsschen (German Edition)
Autoren: Martina Gercke
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Tatsächlich.
    „Sollten Sie nicht erst in einer Stunde da sein?“
    Mit einem Grinsen zeigt er auf den Firmennamen. „Wir sind die Schnellsten und Besten“, verkündet er.
    Toll. Ausgerechnet heute kommt ein Handwerker zu früh . Ich kann den fragenden Blick meiner Mutter spüren. Ich weiß, wie es in ihrem Gehirn arbeitet. Dafür werde ich eine gute Erklärung brauchen.
    „Sämtliche Schlösser an der Eingangstür müssen ausgewechselt werden. Wie lange wird das dauern?“
    Nachdenklich mustert er das, was auch einen Banksafe hätte sichern können. Ich kann es ihm nicht verdenken, ich fand es auch etwas übertrieben von Ron, als er, zusätzlich zum vorhandenen Türschloss und unserer Alarmanlage, ein Sicherheitsschloss und einen Riegel installieren ließ.
    „Zwei Stunden. Mindestens.“
    Zwei Stunden? „Ich gebe Ihnen hundert Euro extra, wenn Sie es in einer Stunde schaffen.“
    Er grinst. „Okay. Ist so gut wie erledigt.“
    „Tamara, bist du noch zu retten? Willst du euer Geld mit allen Mitteln aus dem Fenster werfen?“ Uff. Sparsam bis in den Tod . Selbst wenn es nicht ihr eigenes Geld ist. Wenigstens hat sie das von dem eigentlichen Thema abgelenkt.
    „Ich habe heute keine Zeit. Das habe ich dir doch schon gesagt. Wo sind die Muster?“
    Mit zweifelndem Blick und einem Kopfschütteln packt sie die Stoffe aus. Ich atme innerlich auf. Geschafft. Die Leiche ist außer Sichtweite und meine Mutter mit den Gedanken bei ihrem Lieblingsthema, der Einrichtung und Neugestaltung unseres Hauses. Auch wenn ich nicht weiß, wie ich auf die dämliche Idee kam, noch vor unserer Hochzeit das Wohnzimmer neu dekorieren zu wollen.
    „Findest du nicht, dass dieses zarte Lila ganz wundervoll zu eurer weißen Couch passen würde?“
    „Äh. Ja ... Nein. Wir wollen eine schwarze Couch kaufen. Schwarz und viel Chrom.“ Da sieht man das Pulver für die Fingerabdrücke nicht drauf.
    Meine Mutter sieht mich entgeistert an. „Schwarz und Chrom? Aber du hasst Schwarz und Chrom!“
    „Ich finde, unsere Einrichtung ist viel zu konservativ. Schwarz und Chrom sind gerade enorm in , und dazu passen silberfarbene Vorhänge.“ Mit diesen Worten schiebe ich sie Richtung Tür. „Tut mir leid, ich hätte dir früher sagen sollen, dass ich meine Pläne geändert habe, aber der Gedanke ist mir erst heute Morgen gekommen.“ Nachdem ich eine Leiche gefunden habe und im Geiste schon die freundlichen Polizeibeamten sehe, die mich in Handschellen abführen. „Du musst jetzt wirklich gehen. Der Florist kann jeden Augenblick kommen, der Caterer ...“ Wer noch? Irgendwen hatte ich doch heute Morgen noch aufgezählt.
    „Gut. Aber wir telefonieren heute Abend. Irgendetwas stimmt nicht mit dir, Tamara. Geht es dir wirklich gut?“
    Mist . Niemand ist schlimmer als meine Mutter, wenn sie sich Sorgen um mich macht. „Ja, ja. Alles in Ordnung. Mir geht es blendend. Nur ein bisschen gestresst heute. Bin froh, wenn die Woche hinter mir liegt.“
    Endlich. Sie ist weg .
    Der Schlosser werkelt wie ein Wilder an unserer Tür herum. Der ist bestimmt auch bald fertig.

6
     
    Nachdem der Handwerker ebenfalls gegangen ist, mache ich mich auf den Weg in ein Gartencenter. Dort kaufe ich ein paar Quadratmeter Rollrasen, den ich über dem Grab ausbreiten werde, das bald in unserem Garten entstehen wird. Innerlich bete ich wider besseren Wissens, dass es nicht soweit kommen wird. Hoffe auf ein gnädiges Schicksal und auf eine Leiche, die sich in Luft auflöst.
    Als ich den Kauf erledigt habe, sitze ich fast eine Viertelstunde regungslos in meinem Auto. Ich müsste nach Hause fahren, aber das ist der letzte Ort, an dem ich jetzt sein will. Normalerweise besuche ich Nana, meine Großmutter, in Krisensituationen, aber diese Krise ist zu groß, um damit zu ihr zu gehen. Und außerdem … ich bin noch nicht so weit, mit jemandem darüber zu reden oder belanglosen Smalltalk zu betreiben. Nein.
    Nach einer Weile gebe ich mir einen Ruck. Ich werde nach Bockenheim fahren und dort in eines der Studentencafés gehen. Vielleicht schaffe ich es sogar, etwas zu essen.
     
    „Ein Glas Sekt bitte und das Frühstück Nummer neun mit einem Milchkaffee“, bestelle ich bei der Bedienung, froh darüber, einen Sitzplatz im Albatros ergattert zu haben. Es dauert nicht lange und das Gewünschte steht vor mir. Meine Hände sind noch immer zittrig, sodass ich mein Glas mit beiden Händen fest umschließen muss und nur vorsichtig daran nippe. Vielleicht hilft mir der Sekt dabei,
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