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Holunderblut

Holunderblut

Titel: Holunderblut
Autoren: Barbara Brinkmann
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später,
Katharina in der Küche, Katharina in ihrer Uniform, Katharina mit dem kleinen Zeugen
, mio caro testimone, was soll ich fragen? Ob du mich küsst zum Abschied, falls ich hier nicht wieder heil herauskomme?
    Katharina, wir kommen nie irgendwo heil heraus, wir werden immer Narben davontragen.
    Katharina. Es tut mir leid.
     
    Es gibt nur eine Möglichkeit. Schießen. Sobald die Person in den Flur tritt. Am effektvollsten in die gegenüberliegende Trennwand aus Glas, die den Flur von der Küche trennt. Und das Überraschungsmoment nutzen, um sie zu überwältigen. Und wenn sie angreift? Ein Schuss in die Oberschenkelmuskulatur. Blutet wie Hölle, brennt fürchterlich, setzt dich außer Kraft, aber du überlebst es.
    Durch die offene Haustür ist der fahle Schein der Straßenlaternengekrochen und ein fast unmerkliches blaues Flackern. Die Person ist zwischen die offene Tür und ihn getreten, und er hat, ohne zu zögern und ohne zu zittern, auf die Glaswand geschossen, und die ist mit einem explosionsartigen Knall zwischen ihnen beiden in tausend Scherben zersplittert.
    »Ferma!«
    In Extremsituationen benutzt du deine Muttersprache. Und wirst nicht immer verstanden.
    Die Person hat jetzt für den Bruchteil einer Sekunde lang innegehalten und die Hand gehoben, als würde sie sich ergeben. Aber der Matteo hat im schwachen Widerschein der Straßenlaterne eine aufgezogene Spritze erkannt. Die Silhouette hat er sowieso schon richtig eingeordnet gehabt. Schon bevor er wieder diese melodische Stimme gehört hat.
    »Ah, der italienische Held«, hat der Dr.   Lechner bissig auf Englisch gesagt. »Wir haben Sie schon vermisst.« Er ist einen kleinen Schritt nach vorne getreten, auf den Matteo zu.
    »Fermati!«
Lucarellis Finger am Abzug der P7.
    Lass mich nicht mit der Waffe einer deutschen Polizistin auf dich schießen, du Idiot.
    »Ihrer Kommissarin geht es nicht besonders gut, aber keine Angst, sie hat Gesellschaft. Sie verbringt ihre letzten Stunden nicht allein. Vielleicht sollten wir ihr noch etwas mehr Gesellschaft verschaffen, was meinen Sie?« Wieder ein Schritt in Lucarellis Richtung.
    »Fermati!«
Verdammt, was hat er mit ihr gemacht?
    »Ihre liebe Frau war zu neugierig, und ich finde, Sie sind auch neugierig, viel zu neugierig für meinen Geschmack. Ich denke, ich habe hier etwas gegen Ihre Neugier.«
    Der Dr.   Lechner ist über die Scherben hinweg langsam auf den Matteo zugegangen. Bevor er sich mit einem Mal auf ihn gestürzt hat. Mit der Spritze voran.
    Aber der Matteo hat geistesgegenwärtig auf knapp unter Hüfthöhe gezielt und abgedrückt. Weil er in Extremsituationen nicht nur seine Muttersprache benutzt, sondern auch ein Höchstmaß an Konzentration aufbringt. Ein kurzer Knall, und der Dr.   Lechner vor ihm hat aufgeschrien, ist eingeknickt und auf ihn zugestolpert und hat ihn nur um wenige Millimeter verfehlt. Die scharfe Nadel der Spritze hat einen haarfeinen Spalt in Lucarellis Hosenbein gerissen. Was er gehört und gespürt hat, aber vollkommen egal, weil von unten, irgendwo vom Keller her, war ein hoher, spitzer, durchdringender Schrei zu hören, der nicht mehr aufgehört hat. Der viel mehr geschmerzt hat als der Kratzer einer Nadelspitze.
    Katharina.
    Und der Matteo ist vorbeigehastet am Dr.   Lechner, der sich auf dem Boden in den Scherben gewunden hat, aber recht reaktionsschnell im selben Moment nach dem Lucarelli seinem Bein gegriffen und ihn am Knöchel erwischt hat. Er ist gestolpert, hat sich losgerissen, ist mit dem Kopf gegen den Rahmen von der Kellertür gestoßen, aber egal, keine Zeit, sich benommen zu fühlen, keine Zeit für gar nichts, nur hinunter, was immer sie mit der Katharina gemacht haben, sie war in Panik, wann hat er das letzte Mal jemanden derart schreien hören? Nur keine Zeit verlieren, und er hat den Lichtschalter gefunden und ist die Treppen hinuntergestürzt, und er hat nicht mehr mitbekommen, wie zwei Einsatzwagen und ein Bus der Weiler und Mühldorfer Polizei vor dem Haus gehalten haben und der Brunner Josef und sein Team mit schußsicheren Westen, Waffenund genug Werkzeug, um den halben Ort zu fixieren, das Haus gestürmt haben.
    Und den Kellerflur entlang, immer der Katharina ihrem Schrei hinterher, bis vor eine verdammte verschlossene Tür, gegen die er geschlagen und getreten hat wie ein Irrer,
Katharina, ich bin da, Katharina, ich bin’s
, aber er hat keinen Schlüssel, und jetzt?
    Und ihr ununterbrochenes Schreien.
    Er hat den Lauf der P7 schräg
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