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Holunderblut

Holunderblut

Titel: Holunderblut
Autoren: Barbara Brinkmann
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sie meinen, sich intellektuell distanzieren zu müssen. »Und Sie möchten nicht gerne hier draußen sprechen?«, hat sie der Hohenstein das Wort aus dem Mund genommen.
    »So ist es.«
    »Ja, dann gehen wir hinein.«
Und glaub ja nicht, ich entschuldige mich prophylaktisch für meine Unordnung! Bei mir ist nämlich alles ordentlich, ich bin ja auch bei der Polizei, Recht und Ordnung liegen uns im Blut. Uns Polizisten.
    Dann sind sie in der Küche gesessen, an der Katharina ihrem kleinen uralten Holztisch. Das angebotene Glas Merlot hat die Tierärztin gerne angenommen, und ein paar Grissini hat die Katharina auch noch dagehabt. Aber die Tierärztin war mehr so eine Puristin, die hat den Wein lieber ohne was dazu getrunken. Obwohl: »Entschuldigen Sie, aber darf ich hier bei Ihnen drinnen eine rauchen?«
    Die Katharina hat schon die ganze Zeit gemerkt, dassdie Tierärztin furchtbar angespannt war, und aus einer angespannten Person bringst du recht schlecht was raus, also hat sie genickt und auch gleich einen Aschenbecher hervorgezogen, den sie noch aus ihrer Jugend aufgehoben gehabt hat, ein recht klumpiges Blechteil, aber was mit ideellem Wert eben. Und als die Tierärztin recht süchtig ihren ersten Zug gemacht hat, hat die Katharina gefragt: »Hätten Sie für mich auch eine?«
    »Ach Gott, ja! Selbstverständlich! Ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich Ihnen eine anbieten darf   – ist die Polizei nicht, wie heißt es so schön, stark im Leben
ohne
Alkohol und Drogen?«
    Die Hohenstein hat gehässig gegrinst, aber der Katharina war das wurscht. Das mit der Zigarette war nur einer ihrer Psychotricks. Wenn du mit einer fremden Person eine Zigarette rauchst, dann ist das praktisch eine Friedenspfeife, also zum Zwecke einer Verbrüderung. Nicht selten ist man danach per Du. Aber so weit hat die Katharina es dann doch nicht kommen lassen, als Polizeivollprofi kannst du nicht auf Du und Du gehen mit deinen Zeugen.
    Aber die Entspannung hat beiden gutgetan, und danach hat die Hohenstein sich noch eine angezündet und angefangen zu reden.
    »Sie wollten von mir wissen, was ich über das Verschwinden von Thomas Altmann weiß.«
    Die Katharina hat nur stumm genickt. Unterbrich nie einen Zeugen, der von sich aus in Fahrt kommt.
    »Ich bin seit etwa zwei Jahren mit Thomas liiert, wie Ihnen vielleicht bekannt sein dürfte. Er hat in dieser Zeit immer wieder Probleme mit seiner, ich nenn sie der Einfachheit halber jetzt mal Exfrau, Clara gehabt. Die Scheidung ist noch nicht ganz durch. Nun ja, wie auch immer, das istderen Privatangelegenheit. In so etwas misch ich mich nicht ein. Auf jeden Fall kämpft Thomas um seinen Sohn, er ist sein Ein und Alles! Django hängt auch unglaublich an seinem Vater, wundervoll, die beiden zusammen zu erleben. Und Django ist das Druckmittel von Clara Altmann; wenn Thomas nicht mag, wie sie will, dann entzieht sie ihm den Jungen. Momentan ist die Regelung, dass er Django jedes zweite Wochenende bekommt. Dann war der Guten aber nicht recht, dass Thomas’ Freundin   – also ich   – in Djangos Nähe kommt an eben jenen Wochenenden. Das hieß für Thomas, dass er aus Süchting wegziehen musste. Er wohnt jetzt in einem kleinen wunderschönen Häuschen zwischen Derdorf und Weil, ein bisschen außerhalb. Thomas’ Ex wohlgemerkt lebt noch in Süchting. Allerdings auch außerhalb, auf einem gigantisch tollen Gutshof, nach dem Ortsausgang rechts den Hügel rauf, was für eine Lage! Da lebt sie jetzt allein mit ihrem Kind   – von Thomas’ Geld. Vor etwa vier Wochen war ich das letzte Mal bei ihm in Weil. Dann kam das Wochenende mit seinem Sohn vor drei Wochen, da haben wir noch miteinander telefoniert. Er hat am Telefon einen sehr gehetzten und kurz angebundenen Eindruck gemacht. Im Nachhinein betrachtet kommt es mir komisch vor. Sonntagabend hab ich dann angerufen, da ist sein Sohn normalerweise wieder bei der Mutter. Aber Thomas ist nicht ans Handy gegangen. Ich hab es die folgenden Tage mehrfach versucht, aber Funkstille.«
    Die Tierärztin hat sich eine neue Zigarette angezündet und vor sich hin gestarrt. In der Küche war es schon fast dunkel. So ist der Katharina jedes Mal, wenn die Hohenstein an ihrer Zigarette gezogen hat, aufgefallen, wie besorgt ihr Gesichtsausdruck ausgesehen hat im orangeroten Schein.
    »Sie haben sich sicher Sorgen gemacht. Warum sind Sie nicht zur Polizei?«, wollte die Katharina jetzt wissen.
    »Gute Frage.« Die Tierärztin hat wieder an ihrer Zigarette
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