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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
Autoren: Fred
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Wilhelmsen hatte sich nie mit der Vor-
    stellung anfreunden können, daß Karsten Hansen einmal schlank und
    einigermaßen gelenkig gewesen war; aber er hatte schließlich wie alle anderen
    die Aufnahmeprüfung zur Polizeischule bewältigen müssen. Hansen arbeitete
    in der Verkehrs- und Umweltabteilung und fühlte sich wohl dabei, Jahr um
    Jahr.
    »Wie geht's?« fragte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Geht schon. Und dir?«
    »Großartig. Mir geht's einfach gut. Aber weißt du, vor einer Stunde hab ich
    was entdeckt.«
    Hanne Wilhelmsen wollte durchaus nicht hören, was der Kollege entdeckt
    hatte. Sie wollte nach Hause.
    »Du weißt doch, diese Kästen«, er redete unverdrossen weiter. »Unsere
    Geschwindigkeitsmesser.«
    »Mmm.«
    »Ich wollte dem Büropersonal helfen und ein paar Filmrollen durchsehen,
    damit wir Bußbescheide verschicken können. Und was finde ich da?«
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    »Das weiß ich wirklich nicht.«
    »Du weißt aber, Wilhelmsen, daß es nicht besonders witzig ist, wenn Leute
    von uns auf diesen Bildern auftauchen.«
    Er saß unbequem und versuchte, seinen umfangreichen Leib besser dem
    schmalen Sessel anzupassen. Hanne merkte, wie sie rot wurde und versuchte
    verzweifelt, sich zu erinnern, ob sie so unvorsichtig gewesen sein konnte, zu
    schnell an einem dieser Kästen vorbeizufahren. Sie wußte, wo die angebracht
    waren, und drosselte deshalb rechtzeitig ihr Tempo. Die Rückfahrt von
    Sandefjord, dachte sie plötzlich. Sie war wie eine Besessene nach Ulleväl
    gedüst.
    »Tut mir wirklich leid, Hansen«, stotterte sie und versuchte, ihre Röte zu
    unterdrücken. »Es gibt natürlich keine Entschuldigung... wie schnell bin ich
    gefahren?«
    »Du?«
    Er stutzte und lachte dann.
    »Aber Wilhelmsen! Ich rede doch nicht von dir. Schau mal!«
    Er zog ein Foto aus einem Hanfumschlag und legte es vor sie hin. Noch immer
    spürte sie ihren Puls zu heftig schlagen, Geschwindigkeitsüberschreitungen
    waren für Hauptkommissarinnen keine Lappalien. Vor allem, wenn sie so
    gravierend waren, wie sie an dem Abend gewesen sein mußten, an dem sie auf
    der Strecke Sandefjord-Oslo einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt
    hatte.
    »Es geht nur um vier Stundenkilometer«, sagte Hansen. »Vierundsechzig
    unmittelbar vor der Täsenkreuzung, auf der nach Westen führenden
    Fahrbahn. Aber was ich mich frage ...«
    Er drückte seinen fetten Zeigefinger auf das Gesicht des Fahrers. Das Bild war
    grobkörnig und undeutlich, aber trotzdem mehr als gut genug, um den Fahrer
    zu identifizieren.
    »Das ist doch Iver Feirand, oder? Das Auto gehört jedenfalls ihm, das habe ich
    schon überprüft.«
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    Hanne Wilhelmsen gab keine Antwort. Hansen hatte recht. Dieser Fund war
    interessant. Er war geradezu sensationell. Hanne hatte den Beifahrer nämlich
    schon erkannt.
    »Wann ist dieses Bild aufgenommen worden?« fragte sie und ließ ihren Blick
    an seinem Finger entlang zu einem Feld wandern, in dem der Zeitpunkt
    angegeben war.
    Dienstag, der 30. März 1999, 17.24.
    Hanne griff nach dem Foto und musterte es eingehender. Sie durfte sich jetzt
    nicht irren. Sie konnte sich jetzt nicht irren.
    »Und du kannst dir ja denken, als ich den Kumpel da gesehen habe... Das ist
    doch dieser Evald Bromo, der kürzlich ermordet worden ist. Von dem waren
    doch jede Menge Bilder in der Zeitung. Ich fand es ja doch komisch, daß der
    Typ dienstags mit einem Polizisten auf Tour geht und dann am Samstag
    enthauptet wird. Dann habe ich gedacht, daß ich bestimmt von großen Teilen
    dieses Falls keine Ahnung habe, und natürlich kann ja alles in schönster
    Ordnung sein. Aber ich bin ja auch ein bißchen altmodisch, und da...«
    Er lächelte verlegen.
    »Und es ist doch besser, sich zu blamieren, als an Fragen zu ersticken. Das
    finde ich eben.« »Du bist phantastisch.«
    Sie schwenkte das Foto, griff nach seiner Hand und drückte zu.
    »Du bist einfach unglaublich«, sagte sie und biß sich in die Lippe. »Ich muß
    ganz schnell telefonieren. Bleib sitzen. Unbedingt.«
    Sie zog einen gelben Zettel unter ihrer Schreibunterlage hervor und wählte die
    Nummer, die sie erst vor wenigen Tagen hingekritzelt hatte.
    »Eivind Torsvik«, sagte endlich eine Stimme, das Telefon hatte eine kleine
    Ewigkeit lang geklingelt.
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    »Hallo, hier ist Hanne Wilhelmsen. Sie erinnern sich doch?«
    »Aber klar.«
    Sie hatte sich nicht einmal eine Strategie zurechtgelegt. Das Foto von Evald
    Bromo neben einem Mann, der beteuert hatte, ihn nie
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