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Holst, Evelyn

Holst, Evelyn

Titel: Holst, Evelyn
Autoren: Der Liebesunfall
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kurzen Kopfnicken begrüßt. Für Fragen reichte die Zeit nicht, denn gerade wurde die Verhandlung eröffnet.
    Monika hat mir nicht zuviel versprochen!, dachte Ruth Eichendorf, die Spannung im Saal ist mit Händen zu greifen! Sie lehnte sich in ihrem Richterstuhl zurück und beschloss, diese Verhandlung wie ein aufregendes Theaterstück zu genießen. Soap Opera pur, dachte sie zufrieden, und obwohl sie diese im Fernsehen nie angeschaut hätte, live genoss sie Liebesdramen ganz außerordentlich. Und diese Verhandlung schien eins zu sein, das spürte sie.
    Gerade hatte die Angeklagte das Wort. Sie war eine sehr hübsche, junge Frau, allerdings mit tiefen, dunklen Schatten unter den Augen, so als hätte sie nächtelang kaum geschlafen. Sie schien das Unfallopfer mit den Augen verschlingen zu wollen. Der arme Mann saß durch ihre Schuld im Rollstuhl, trotzdem war auch sein Blick geradezu liebevoll auf die Angeklagte gerichtet. Neben ihm saß seine hochschwangere Frau. Sie brannte darauf, die Wahrheit zu erfahren, obwohl sie ahnte, dass sie gerade dies nie tun würde.
    „Es tut mir so schrecklich leid!“, sagte Leonie gerade. „Nur wegen dieser blödsinnigen Zabaglione, die ich noch nicht mal mag!“ Das höre ich zum ersten Mal!, dachte Marius im Zuschauerraum und fühlte sich fast ein bisschen beleidigt. Leonies Stimme war immer lauter geworden, immer aufgeregter, sie sah jetzt Hendrik direkt ins Gesicht und schien ihre Worte nur an ihn zu richten: „Ich wollte das nicht! Ich würde alles geben, um es ungeschehen zu machen. Warum habe ich bloß das Rücklicht am Fahrrad nicht reparieren lassen? Es ist alles ganz allein meine Schuld, wenn Hen…, wenn Herr von Lehsten jetzt für immer im Rollstuhl sitzen muss!“
    Sie warf Hendrik einen Blick zu, in dem all das lag, was sie nicht sagen durfte. Er fing ihn auf, er fühlte ihren Blick bis in sein eigenes Herz, er spürte ihre Liebe wie eine warme, sanfte Woge, die ihn zu durchfluten schien, er spürte ein Kribbeln, das ihn ganz unruhig und sehnsüchtig machte. Mit einem tiefen Atemzug versuchte er, diese Spannung in sich aufzulösen, denn aus den Augenwinkeln sah er Marions befremdeten Blick. Er holte wieder Luft und da, ganz ohne Vorwarnung, fühlte er, wie sich etwas in ihm bewegte, das nichts mit seinen Gefühlen zu tun hatte, es war etwas Körperliches, ein Zucken, ein Kribbeln – sein linker Fuß hatte sich bewegt!
    Er war so erschrocken, dass er aufschrie, aber da war das Gefühl schon wieder weg. Marion beugte sich zu ihm: „Was ist denn, Schatz? Du siehst so komisch aus. Kannst du noch?“ „Ach nichts, entschuldige bitte“, sagte er, schaute an sich herunter und konzentrierte sich noch einmal mit aller Kraft auf seinen Fuß, aber da war nichts mehr.
    Er hatte es sich eingebildet.
    Dann wurde Marion als Zeugin vernommen. Nach den Angaben zur Person forderte die Richterin sie auf, den Unfallhergang aus ihrer Sicht zu schildern. Marions Stimme zitterte so stark, dass ihr die Stimme versagte: „…und dann war da auf einmal dieser Schatten, und dann habe ich meinem Mann ins Lenkrad gegriffen und ...“
    Unruhe im Gerichtssaal. „Davon steht aber gar nichts im Vernehmungsprotokoll der Polizei!“, stellte Ruth Eichenberg fest. „Ich weiß. Und es tut mir so leid.“ Marion schaute Leonie um Verzeihung bittend an. „Ich wollte einfach nicht schuld daran sein, dass Hendrik vielleicht stirbt! Aber jetzt kann ich nicht länger mit einer Lüge leben. Ich bin meinem Kind die Wahrheit schuldig …“ Unserem Kind!, dachte Hendrik. Unserem Kind!, dachte Ludwig im Zuschauerraum. Und das ist nur ein klitzekleiner Teil der Wahrheit, die du ihm schuldig bist!
    „Bitte verzeihen Sie mir!“, sagte Marion zu Leonie. „Aber ich habe schon mein Kind durch einen Unfall verloren, ich hätte es einfach nicht ertragen können, auch meinen Mann …“ Oh Gott, wie furchtbar!, dachte Leonie. Nie kann Hendrik diese Frau verlassen und ihr noch mehr Unglück zufügen. Niemals!
    Dr. Ruth Eichenberg räusperte sich. „Nun, das ist ja menschlich natürlich sehr bewegend und interessant, strafrechtlich relevant ist es nicht, es ändert leider nichts an Ihrem Fehlverhalten, Frau Baumgarten, und nur darüber verhandeln wir heute. Da Sie aber einsichtig sind und Reue zeigen, glaube ich, dass wir in diesem Fall mit einer Geldstrafe …“
    Der Rest der Verhandlung rauschte an Leonie vorbei. Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf. Alles war ihre Schuld! Nein, nicht alles. Seine
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