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Holst, Evelyn

Holst, Evelyn

Titel: Holst, Evelyn
Autoren: Der Liebesunfall
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Ich wünschte, ich könnte es wieder gut machen.“ Sie hatte diese beiden Sätze wieder und wieder geübt, auch ihre „Gerichtskleidung“ lag bereit. Ein schwarzer Rock, eine weiße Bluse – neutral, solide. Weder aufgebretzelt, noch zu mondän, hatte ihr die Anwältin geraten. Doch trotz ihrer Anspannung beschlich sie immer wieder dieses kleine, hartnäckige Gefühl der Vorfreude, wenn sie an Hendrik dachte. Ihn wieder zusehen, zum letzten Mal. In seine Augen schauen und in ihnen zu lesen, dass auch er ...
    „Mama, ich finde meine Diddl-Maus nicht! Du hast versprochen, dass ich sie heute mitnehmen darf und Melina will ihre auch …“ „Ich komme schon, mein Häschen!“, rief Leonie und fand die Diddl-Maus sofort neben der Klobrille. Ich bin so froh, dass ich mein Kind habe, dachte sie, wie so oft, und ich gönne Hendrik, dass er dieses Glück auch erfährt. Er wird ein toller Vater, da bin ich sicher. „Hier ist sie“, rief sie und warf ihrer Tochter die Diddl-Maus zu. „Danke Mama“, krähte Luna. „Du bist die allerbeste Mama.“
    Ja, das bin ich, dachte Leonie, und ich könnte auch die allerbeste Ehefrau sein.

33. Kapitel
    Marius hatte Leonie und die Kinder am Kindergarten abgesetzt, ein familiärer Luxus, der Zeit kostete, denn jetzt musste er sich beeilen, damit er an diesem Tag noch etwas Geld verdiente. Zum Glück hatte er heute eine vorbestellte Fahrt und musste nicht „wählen zwischen Pest und Cholera“, wie er immer sagte, also entweder durch die Straßen fahren und auf Zufallskunden hoffen oder sich in die endlose Taxischlange am Hamburger Flughafen einreihen, um dann vielleicht nach einer Stunde Wartezeit zähneknirschend lächelnd einen Gast mit seinen fünf Koffern drei Straßen weiter nach Hause zu fahren.
    Seit einigen Monaten holte er zweimal pro Woche eine Krankengymnastin namens Cora Böhm in der Rehaklinik ab, brachte sie zu einem großen Bürokomplex in der City, wo sie einen reichen Privatpatienten behandelte und fuhr sie zwei Stunden später zurück. Er freute sich auf Cora, sie waren inzwischen beim „du“ gelandet, sie war eine handfeste, immer fröhliche Frau, die gut zuhören konnte. Jedes Mal, wenn er sie absetzte, lächelte er und fühlte sich ein bisschen besser. Er liebte das bei einer Frau.
    Er hatte ihr von Malte erzählt, auch ein bisschen von Leonie, und sie hatte ihm ihrerseits anvertraut, wie furchtbar gerne sie Kinder hätte. Und warum hast du dann keine, hatte er etwas indiskret gefragt. „Weil ich keinen Mann habe, den ich als Vater möchte“, hatte sie erwidert. „Und weil ich als alleinstehende Frau nicht adoptieren kann.“ „Was nicht ist, kann ja noch werden“, hatte er erwidert. Sie hatte ihn etwas merkwürdig von der Seite angesehen und gelächelt. Und dann hatte sie ihm von dem Patienten erzählt, dem sie beide ihre Bekanntschaft verdankten. Toller Mann, erfolgreicher Produzent, durch Unfall im Rollstuhl. Verheiratet mit einer Frau, die ihn nicht mehr liebt. Zu allem Unglück auch noch schwanger. „Vielleicht hast du Lust ...“, fing er an, als er vor dem Bürokomplex hielt und sie hatte ihn nicht ausreden lassen. „Ja“, sagte sie nur, als sie ausstieg. „Ich habe Lust. Zu allem.“
    Lächelnd fuhr er weiter. Das Leben konnte auch sehr schön sein.
    Nach ein paar Stunden, in denen er fünf Kunden für insgesamt 45,60 Euro kreuz und quer durch die Stadt gefahren hatte, wurde er zu einem weiteren Stammkunden gerufen.
    Ein paar Stunden später hatte Marius einen weiteren Stammkunden zu fahren. Komischer Kauz. Einmal pro Woche musste er ihn nachmittags abholen und zum Marienkrankenhaus fahren. Dort parkten sie bei laufendem Taxameter unter Bäumen versteckt, sein Fahrgast beobachtete mit gespanntem Gesicht die schwangeren Frauen, die dort auf dem Weg zum Geburtsvorbereitungskurs das Krankenhaus betraten. Sie warteten eine Stunde, dann verschlang sein Gast die schwangeren Frauen beim Rauskommen wieder mit seinen Blicken – und dann fuhr Marius ihn wieder nach Hause.
    Einmal hatte er gefragt: „Ist Ihre Frau auch dabei?“ Da hatte sein Fahrgast ihn angestarrt und gesagt: „Liebe heißt, auch loslassen können. Aber es ist so verdammt schwer …“
    Ja, hatte Marius gedacht, wem sagst du das. Aber er hatte dem Mann nie wieder Fragen gestellt.

34. Kapitel
    Hendrik von Lehsten saß in seinem Büro und versuchte, den Justiziar Dr. Mannweiler zu beschwichtigen. „Ich weiß, dass unser Honorar etwas über dem Durchschnitt liegt, aber dafür
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