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Hoellischer Verrat

Hoellischer Verrat

Titel: Hoellischer Verrat
Autoren: Kira Licht
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Mutter so gern nörgelte: Die Seiten ausrasiert und oben viel zu lang. Auch jetzt fielen ihm einige Strähnen des überlangen Ponys bis über die Nasenspitze. Der Ring, der sich mittig durch seine Unterlippe bohrte, blitzte beim Sprechen im Schein der Kerzen rebellisch auf.
    Ich konnte ihn mir einfach nicht zwischen all den geschniegelten Angestellten meines Vaters vorstellen. Jaro hatte etwas Unangepasstes, Spitzbübisches an sich, das ihm meine Eltern vergeblich versucht hatten abzugewöhnen. Auch heute trug er zwar ein Oberhemd, jedoch ohne Krawatte und eindeutig ein Stückchen zu weit aufgeknöpft. Zwei dünne, lange Silberketten schimmerten im Ausschnitt. Sie waren ein sicheres Anzeichen dafür, dass solch formelle Kleidung normalerweise nicht seinen Stil repräsentierte. Genau wie ich trug er gern Röhrenhosen aus Leder oder schwarzem Denim, ausgelatschte Boots und Shirts in gedeckten Farben.
    Mayra wollte gerade etwas erwidern, als die Tür aufschwang und zwei Diener, schwer bepackt mit Tabletts, den Raum betraten. Mutter kochte natürlich nicht, denn als Blutdämonen lebten wir nur von Blut. Gaben meine Eltern Abendessen, zu denen auch Dämonen der anderen sechs Rassen eingeladen waren, so bestellte Mutter das Essen im einzigen Nobelrestaurant der Gegend. Obwohl dieses aufgrund der Entfernung eigentlich nicht lieferte, machte man für die Politikerfamilie Ekishtura gern eine Ausnahme.
    Auch dieses Mal hatten meine Eltern es sich nicht nehmen lassen, ihren Gast mit dem Umstand zu beeindrucken, dass es nicht nur ein Glas Blut für alle geben würde. Mutter hatte raffinierte kleine Pasteten und andere Häppchen bestellt, die besser aussahen, als sie schmeckten.
    Meine Eltern liebten es, ihr kriegerisches Dasein, dem ganze Zivilisationen zum Opfer fielen, damit aufzuwerten, dass sie eine ausgeprägte Esskultur hochhielten. Bei offiziellen Treffen empfanden sie es als zu animalisch, den Esstisch nur mit Karaffen voller Blut zu bestücken. Mutter fand es schlimm genug, dass Vater im Aufsichtsrat einer Firma saß, die über die ganze Erde verteilt sogenannte Blutfarmen betrieb. Hier wurden Tiere gezüchtet, nur um an ihr Blut zu gelangen. Bei uns zu Hause galten solche Themen als absolut unschicklich. Das Blut wurde in großen Kanistern angeliefert und niemand fragte, woher es kam.
    Die Diener verteilten die mit Pasteten dekorierten Platten auf dem runden Tisch. Mutter sah erwartungsvoll zu Tarsos.
    »Wie nett.« Sein Tonfall klang eher herablassend als freundlich, doch Mutter strahlte.
    Jaro, der mir schräg gegenübersaß, betrachtete ihn kurz und sah dann zu mir. Ich hob unmerklich die Schultern. Jaro schüttelte ratlos den Kopf.
    Noch mehr Diener erschienen und begannen, unsere Gläser mit Blut zu füllen. Als wir wieder unter uns waren, hob Vater sein Glas. »Auf einen schönen Abend!«
    Als Tarsos links neben mir nach seinem Glas griff, schielte ich unauffällig zu ihm hinüber. Seine Haltung, seine Kleidung, alles an ihm war formvollendet und doch gleichzeitig so kalt und unnahbar wie eine Statue. Selbst für einen Blutdämon war er ungewöhnlich attraktiv, doch noch nie hatte ich jemanden kennengelernt, der so absolut in sich selbst verschlossen schien. Er prostete meinem Vater zu , und als ich fast schon damit rechnete, dass er sein Glas abstellen würde, so wie alle anderen, drehte er sich zu mir. Der Blick in seine grünen Augen ließ mich gegen eine Wand aus Metall prallen, obwohl sich sein Mund zu der Andeutung eines Lächelns verzog.
    »Nikka.« Er stieß leicht mit seinem Glas gegen meines. Meine Augen glitten über sein Gesicht bis hinunter zu der Hand, die das zarte langstielige Glas hielt. Schlanke und doch kräftige Finger, deren Nägel auffallend gepflegt waren. Das dunkle Blau des Anzugstoffs ließ seine Haut noch heller wirken. Alles an ihm schien so unwirklich perfekt, dass ich mit einer Mischung aus Faszination und Ratlosigkeit zurückblieb, als er sich von mir abwandte. Er hätte auch aus Marmor sein können. Aus weißem Alabastermarmor. Makellos und eiskalt.
    Während des Essens gab sich Mutter alle Mühe, ihn mit unserem Wohlstand zu blenden, doch Tarsos zeigte sich wenig beeindruckt. Stattdessen schien er sich mit Vater lieber über geschäftliche Dinge unterhalten zu wollen. Mutter verwickelte Mayra und Ikanto in ein Gespräch über Kindererziehung und gerade, als ich zu Jaro etwas sagen wollte , kam sie mir zuvor, indem sie ihn aufforderte, eine lustige Anekdote aus seiner Kindheit zu
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