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Höllenhund

Höllenhund

Titel: Höllenhund
Autoren: James Herbert
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die Augen quollen mir in noch nicht überstandener Furcht aus dem Schädel, mein ganzer
    Körper war völlig ausgepumpt. Ich war mindestens drei Kilometer gerannt, ohne innezuhalten, und für einen jungen Hund ist das eine beträchtliche Strecke.
    Ich sank auf den kalten Steinboden und versuchte meinem wirren Gehirn Gelegenheit zu geben, meine immer noch tanzenden Nerven einzuholen. So muss ich als knochenloser Haufen wenigstens eine Stunde oder länger dagelegen haben, zu erschöpft, um mich zu bewegen, zu wirr, um nachzudenken; die vorangegangene Hochstimmung war längst verflogen, als der Klang schwerer Schritte meinen Kopf hochfahren ließ. Die Ohren zuckten nach mehr Information. Bis jetzt war mir gar nicht bewusst gewesen, wie scharf mein Hörsinn geworden war, und es dauerte lange, lange Sekunden, bis der Besitzer der Schritte schließlich in Sichtweite kam. Eine immense Gestalt verdeckte den größten Teil des Lichts, das in den dunklen Treppenschacht drang, und ich sah silhouettenhaft die runde Gestalt einer voluminösen Frau. Zu behaupten, ihre Gestalt hätte meinen ganzen Sichtkreis erfüllt, mag übertrieben klingen, aber genauso schien es mir in meinem eingeschrumpften Körper. Es war, als würde ihre Fülle mich einhüllen, über mich hinwegwalzen. Ich kauerte mich nieder und kroch am Boden, ohne jeden Stolz; da war kein Sinn für meinen Mannesstolz mehr, um meine Feigheit zurückzudrängen, denn ich war nicht länger ein Mann. Aber ihre Worte hielten meine aufsteigende Angst auf.
    »Hallo, Kleiner, was machst du denn hier?« Ihre Stimme war ebenso füllig wie ihr Körper, dröhnend und rauh, aber ihre Worte waren voll Güte und erfreuter Überraschung. Sie setzte ihre vollgestopften Einkaufstüten grunzend ab und beugte dann ihre mächtige obere Hälfte zu mir herunter.
    »Na, wo kommst du denn her? Hast dich wohl verlaufen?«
    Ich zog mich vor der näherkommenden Hand zurück, obwohl ihre Stimme meine Furcht verdrängt hatte; ich wusste, wenn mich eine dieser mächtigen, wurstfingerigen Hände einmal gepackt hatte, würde nichts, was ich tat, mich wie-der befreien können. Aber die Frau war geduldig, und das delikate Aroma, das von ihren dicken Fingern ausging, war überwältigend.
    Ich schnüffelte, zuerst kurz und probierend, bewegte meine Nase, inhalierte dann ganze Lungen voll, und die Säfte in meinem Mund fingen an zu strömen. Meine Zunge zuckte hervor, und fast hätte ich vor Ekstase die Augen gerollt. Was diese Frau gegessen haben musste! Ich konnte Schinken schmecken, Bohnen, würziges Fleisch, das ich nicht identifizieren konnte, Käse, Brot, Butter — oh, Butter —, Marmelade (nicht so hübsch), Zwiebeln, Tomaten, eine andere Art Fleisch (Rindfleisch, denke ich) und mehr, mehr, mehr. Ein erdiger Geruch übertönte alles, fast als hätte sie Kartoffeln frisch aus dem Boden gesammelt, aber selbst das stieß mich nicht ab, wie es eigentlich hätte sein sollen, vielmehr erhöhte das den Wohlgeschmack des Ganzen. Hier war jemand, der an Essen glaubte, der es mit den Händen ebenso wie mit dem Gaumen anbetete. Kein Gegenstand aus rostfreiem Stahl würde die Reise vom Keller zum mampfenden Mund verzögern, wenn man das Ganze schneller bewerkstelligen konnte, mit einer größeren Ladung, indem man das eigene lebende Fleisch dazu benutzte, die Ware zu transportieren. Ich konnte spüren, wie meine Hingabe bei jedem Lecken meiner Zunge wuchs.
    Erst als die fette Hand von allen Geschmäcken freigeleckt war, wandte ich meine Aufmerksamkeit ganz dem Rest der Frau zu.
    Dunkelblaue Augen grinsten auf mich aus einem breiten, rostigen Gesicht herab. Rostig? O ja, du würdest über die Farben in Gesichtern staunen, wenn du sie nur so sehen könntest wie ich. Rote und blaue Adern strömten durch dicke gerötete Wangen dicht unter der Haut. Andere Farben glühten in ihr — meist Gelb und Orange — und wechselten ständig den Ton, während ihr Blut unter der Oberfläche zirkulierte. Braune und graue Haare standen wie winzige Stacheln aus ihrem Kinn; über das ganze Antlitz zogen sich tiefe Furchen, die im Winkel eines jeden Auges anfingen und sich über die Wangen herunter und nach oben über die Stirn fortsetzten, sich wanden und ineinander übergingen, sich überschnitten und am Ende verblassten. Es war ein wunderbares Gesicht!
    Das alles sah ich in der Düsternis des Treppenschachtes, vergiss das nicht, im Gegenlicht. So ausgeprägt war mein neuer Gesichtssinn und wäre das auch geblieben, hätte die
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