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Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes

Titel: Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes
Autoren: Harald Evers
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Felsengebirge nach Osten hin zu überwinden ist nicht gerade ein Spaziergang.«
    Eine Weile schwieg Jockum, und Munuel nahm an, er gebe sich dem Anblick der landschaftlichen Schönheit hin. Es war schon ein böser Schicksalsschlag, dass er in den Katakomben von Unifar sein Augenlicht verloren hatte, selbst wenn er sich glücklich schätzen durfte, einundsechzig Jahre seines Lebens sehend verbracht zu haben. Man hätte meinen können, dass dieser Zeitraum ausreichte, um alles Lohnende erblickt zu haben, doch nein – es reichte eben nicht. Die Höhlenwelt war reich an wundervollen Landschaften, die es immer wieder anzuschauen lohnte, und allein dass er die sechs Mädchen nie mehr würde sehen können, eine hübscher als die andere, war deprimierend. Da half es auch nichts, wenn sein Freund Jockum sich abmühte, ihm alles ganz genau zu beschreiben. »Die Schlucht ist tief, wie ich schon sagte«, führte er soeben aus, und Munuel hörte zu und schwieg höflich. »Und die Wasser des Semphir sind grün. Ein wunderschöner Farbton. Dort unten ist alles mit riesigen Felsbrocken angefüllt, das Licht fällt aus dem Sonnenfenster schräg hinab bis aufs Wasser des tieferen Beckens.« Er machte eine kurze Pause. »Ein wirklich großartiger Anblick.«
    »Und? Ist die Brücke auch da?«, fragte Munuel ungeduldig.
    Jockum antwortete nicht gleich. »Im Augenblick sehe ich sie noch nicht. Allerdings ist der Weg hier wieder zu erkennen. Er ist nach wie vor vorhanden.«
    »Immer noch?« Munuels Stimme klang schärfer als beabsichtigt.
    »Ja, es ist wirklich erstaunlich. Obwohl diese alte Route seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt wird, gibt es noch immer einen schönen, gangbaren Weg, der in die Schlucht hinabführt. Wie für uns gemacht.«
    Munuel enthielt sich einer Antwort. Er hatte den Eindruck, sich in den letzten Monaten zunehmend zu einem Zweifler und Nörgler entwickelt zu haben. Zu einem, der mangels eines eigenen Sichtwinkels alles und jeden in Frage stellte. Nein, so wollte er nicht sein.
    »Komm«, lautete Jockums Aufforderung, und sie klang nach Tatkraft, Unternehmungslust und guter Laune. »Gehen wir ein Stück hinunter. Irgendwas sagt mir, dass wir die Brücke bald finden werden. Wenn nicht in dieser Schlucht, dann in der nächsten.«
    Munuel ließ sich von Jockum an der Hand nehmen und führen.
    Vorsichtig stiegen sie über Felsen und karge Büsche hinweg und erreichten schon bald wieder ungewöhnlich ebenen Boden, der mit einem gelblich grünen Moos bewachsen war. Es gab tatsächlich eine Art Trampelpfad darin; allerdings konnte der auch von Tieren stammen, vielleicht von Bergziegen oder Felsböcken. Das Rauschen des Wasserfalls begleitete sie, während sie den leicht abschüssigen Weg in die Schlucht hinab nahmen. Bald beschrieb er eine enge Kurve, führte noch eine Weile abwärts, stieg dann aber überraschenderweise wieder an. Jockum stieß plötzlich einen Laut des Entzückens aus. »Die Brücke!«, rief er, »sie ist tatsächlich da! Kannst du sie sehen?«
    Unter Jockums Führung liefen sie noch ein Stück weiter. Das Tosen des Wasserfalls drang machtvoll von links heran; der Weg, der an der steilen Felswand entlang geführt hatte, machte plötzlich einen rechtwinkligen Knick und führte zum steinernen Bogen einer Brücke, die sich zur anderen Seite hinüberschwang. Leider fehlte jedoch der mittlere Teil der Brücke. »Sie ist zerstört!«, rief Munuel aus. »Ja«, seufzte Jockum. »Wen wundert es, nach so langer Zeit. Phenros schrieb, dass sie einst die erste wirkliche Verbindung zwischen West- und Ost-Akrania war. Eine viel benutzte Handelsroute, wenngleich sehr beschwerlich. Den Marunde-Pass im Norden entdeckte man erst vor vierhundert Jahren.«
    Er warf die Arme in die Luft. »Wir sind an einer historischen Stätte, mein Lieber! Der Verbindungsstelle zweier Teile des alten Kontinents. Ist dir das klar?«
    Munuel seufzte. »Ich wünschte, ich hätte nur ein Zehntel deiner guten Laune.«
    »Das solltest du aber haben«, empfahl ihm sein Freund. »Es macht das Leben bedeutend erfreulicher. Wie kommen wir da hinüber?«
    »Du meinst wirklich, es ist unsere Brücke? Phenros’ Brücke? Die aus seinem seltsamen Gedicht?«
    »Aber ja. Bisher hat die gesamte Wegbeschreibung gestimmt.«
    Munuel schnaufte lautstark, mahnte sich aber gleich, nicht wieder so schwarzseherisch zu sein. »Also gut. Mit ein bisschen Magie sollten wir es dort hinüber schaffen, meinst du nicht?«
    »Eine kleine Levitation? Warum nicht? Das
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