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Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes

Titel: Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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habe ich seit Jahren nicht mehr gemacht.«
    »Ich schon«, erinnerte sich Munuel an seinen Besuch in der Festung von Tulanbaar. Bei dieser Gelegenheit hatte er zum ersten Mal Chast getroffen, seinen Erzfeind, der ihm letztlich auch das Augenlicht geraubt hatte. Ich bin nur blind, dachte er grimmig, du aber bist tot! »Kannst du die andere Seite erkennen, Munuel?«, fragte Jockum sanft.
    Munuel fragte sich, warum er den ganzen Tag schon mit diesem Zorn im Bauch herumlief. Jockum hatte eine Menge mit ihm auszuhalten. Mit einer wahren Kraftanstrengung riss er sich zusammen und verbot sich jede weitere Äußerung von Unmut, Zorn oder schlechter Laune.
    »Ja, ich kann sie sehen. Bist du bereit? Soll ich dich hinüberschubsen?«
    Jockum grinste breit und trat ein Stück näher an den Rand. »Ja, schubs mich. Aber lass mich nicht fallen. Wenn ich drüben bin, hole ich dich, einverstanden?« Munuel nickte.
    Inzwischen war es überflüssig, die Augenlider zu schließen, so wie er es früher immer getan hatte, wenn er sich mit aller Sorgfalt auf eine Iteration konzentriert hatte. Er öffnete ein Aurikel der Fünften Stufe und empfand Befriedigung, dass sich wenigstens dies verbessert hatte. Er vermochte inzwischen das Trivocum mit spielerischer Leichtigkeit zu beeinflussen; nie war er in Sachen Magie so gut gewesen wie heute. Es war völlig mühelos für ihn, und er hatte sogar das seltsame Gefühl, dass er gefahrlos bis in die allerhöchsten Stufen gehen könnte. In Unifar hatte er damals eine zehnte oder elfte Iteration gewirkt – und hatte es überlebt. Inzwischen fragte er sich, ob er vielleicht sogar eine zwölfte beherrschen könnte. Das war die höchste nur denkbare Iterationsstufe in der Elementarmagie, und sie war seit Menschengedenken von keinem Magier mehr gewirkt worden.
    Während Hochmeister Jockum sanft wie eine Feder über den zehn oder zwölf Schritt breiten Abgrund schwebte, erfreute sich Munuel seiner vollkommen sauberen und gekonnten Iteration. Er ließ Jockum gar keine Zeit mehr, ihn herüberzuholen, sondern schloss sein eigenes Hinüberschweben sanft und nahtlos an.
    Wenn er schon mal in einer Sache der Bessere war, und das geschah in letzter Zeit selten genug, dann wollte er es auch ein wenig auskosten.
    »Wundervoll!«, lobte ihn Jockum, als sie beide wohlbehalten auf der anderen Seite angekommen waren. »Du hast deine eigene Meisterschaft noch übertroffen. Wahrscheinlich bist du im Augenblick der beste Magier in unserer Welt!« Munuel lächelte gutmütig. »Danke für die Blumen.« Tatendurstig wandte Jockum sich um und maß den weiterführenden Weg. Er strebte zunächst in die gleiche Richtung wie der gegenüberliegende Pfad auf der anderen Seite der Schlucht, verschwand dann aber bald hinter einem aufstrebenden Felspfeiler.
    »Komm! Wir müssen bald da sein. Jetzt fehlt uns nur noch eine Grotte mit einem kleinen See darin! Das war die letzte Zeile von Phenros’ Gedicht.« Wieder nahm er Munuel an der Hand und marschierte los. Als sie den Pfeiler umrundet hatten, sah Jockum, dass der Weg steil und in vielen Windungen an einer zerklüfteten Felswand in die Tiefe führte, bis er sich auf der Höhe des Wassers verlor. Weiter konnte man von hier aus nicht sehen. Entschlossen setzte er sich in Bewegung. Der spätere Wiederaufstieg würde mühsam sein, aber das kümmerte ihn jetzt nicht. Mit aller gebotenen Vorsicht stieg er hinab und zog Munuel hinter sich her, ihn immer wieder beruhigend, dass er nicht fallen würde, da der Weg gangbar und eben war. Noch immer herrschte der Moosbelag vor, und er war fast wie ein Teppich.
    Nach einer Viertelstunde gelangten sie unten beim Wasser an.
    Aufgeregt sah sich Jockum um. »Wo könnte hier eine kleine Grotte versteckt sein?«, murmelte er.
    »In alten Legenden sind geheime Grotten stets unter Wasserfällen verborgen«, meinte Munuel. »So? Na, dann werde ich einmal nachsehen.« Er marschierte los, während sich Munuel mit seiner sehr begrenzten Sichtweite am Ufer >umsah<. Jockum kehrte bald ergebnislos zurück. Eine ganze Stunde lang suchten sie die Umgebung ab, bis Jockum endlich an einem kleinen Seitenarm des Sees links neben dem Wasserfall eine Stelle fand, an der er ziemlich weit ins Wasser hineinwaten konnte. »Ich glaube, ich habe etwas gefunden«, rief er Munuel zu und umrundete watend einen kleinen Felspfeiler. Dahinter entdeckte er, unter verkeilten Felsplatten, die hier vor langer Zeit einmal herabgestürzt sein mussten, einen schmalen, dunklen

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