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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst
Autoren: Christine Lehmann
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nehmen?«
    Abele verneinte. »Ich war leider im Amt unabkömmlich. Ein wichtiger Fall, eine unmittelbar bevorstehende Verhaftung, Berichte, Papierkram, Sie kennen das ja.«
    Das sagte er um Zustimmung heischend zu mir, denn mit Richards Beifall konnte er nicht rechnen.
    »Bis sechzehn Uhr dreißig hing ich fest. Als ich gegen siebzehn Uhr fünfzehn am Grillplatz am Lippertshorn ankam, fand ich dort niemanden vor. Ich ging davon aus, dass Haugk seine Aktion bereits durchgeführt hatte, und rief in seinem Büro an, aber dort hatte man schon Feierabend gemacht. Seine Handynummer hatte mir Haugk nicht gegeben.«
    »Sie haben ein gutes Gedächtnis«, bemerkte ich. »Ich weiß schon nach drei Tagen nicht mehr, zu welchen Uhrzeiten ich wo war.«
    Abele schwankte zwischen Stolz und Misstrauen. Sein Blick zuckte zu Richard hinüber und bat um gut Wetter, um Liebe und Anerkennung, um Trost und Beistand, um Vergebung, Versöhnung und Freundschaft. Richard verweigerte ihm alles.
    »Nachdem es hieß, in der Mondscheinhöhle sei eine Leiche gefunden worden«, erklärte Abele, »habe ich mir den Tag natürlich noch einmal vergegenwärtigt. Es hat wirklich nichts darauf hingedeutet, dass Haugk noch in der Höhle steckte, als ich am Abend dort war. Es gab keine augenfälligen Spuren. Allerdings, im Nachhinein hätte mir zu denken geben müssen, dass auf dem Parkplatz an der Forsthütte ein Auto mit der Aufschrift der Kampfmittelbeseitigung Münsingen stand. Aber ich dachte halt, die seien vielleicht mit zwei Wagen gekommen und einer sei liegen geblieben. Oder einer von beiden habe sich verletzt und habe nicht mehr selber fahren können. Wer denkt denn gleich an … an Mord! Denn bei einem Unfall hätten ja noch Haugks Sachen irgendwo liegen müssen. Eine Tasche, Schuhe, was weiß ich.«
    »Nicht unbedingt«, unterbrach ich, »wenn Haugk sich am Wagen umgezogen und alles dort gelassen hatte.«
    »Nun, jedenfalls für mich sah das so aus, als sei die Aktion abgeschlossen. Ich dachte, Haugk werde sich noch am Abend bei mir melden. Am Samstag wollte er ja für vierzehn Tage nach Mallorca fliegen. Als er nicht anrief, dachte ich, er werde mir die Uhr vielleicht per Post zuschicken. Als am Dienstag auch nichts in meinem Briefkasten war, rief ich erneut in seiner Firma an. Dort teilte man mir erwartungsgemäß mit, der Chef sei in Urlaub. Von der geplanten Aktion in der Mondscheinhöhle war denen anscheinend nichts bekannt. Ich wies darauf hin, dass am Freitag ein Wagen von ihnen am Lippertshorn gestanden hatte. Man bedankte sich. Ich nehme an, sie haben den Wagen dann geholt. Mir kam zu diesem Zeitpunkt erstmals der Verdacht, dass Haugk mich reingelegt hatte. Nichts leichter als zu behaupten, die Uhr habe sich nicht gefunden, und damit nach Mallorca zu fliegen und sie dort zu verkaufen. Da wir keinen schriftlichen Vertrag geschlossen hatten, würde ich ihm nur schwerlich beweisen können, dass er mich bestohlen habe. Es konnte natürlich auch sein, dass er die Uhr nicht gefunden und über den Reisevorbereitungen vergessen hatte, mir das mitzuteilen. Na ja, in spätestens vierzehn Tagen würde er wieder auftauchen, dachte ich. Die Zeit habe ich dazu genutzt, mich ein bisschen kundig zu machen über diese Kampfmittelbeseitigungsfirma. Eine durchaus interessante Firma. Ein Jahr alt, keine Aufträge, aber mit einer Goldgrube vor der Tür, sobald unserem guten alten Bekannten, Ivan Räffle, der Auftrag erteilt wird, den Truppenübungsplatz zu erschließen. Haugk hatte doch tatsächlich kurz vor seiner Abreise seine eige ne Gesellschaftermehrheit an Räffle verkauft. Wahrlich, es hätte mich nicht gewundert, wenn Haugk sich mit dem Erlös, weiteren Finanzeinlagen und meiner Uhr als Zugabe nach Übersee abgesetzt hätte. Aber Mord? Nein, daran habe ich keinen Moment gedacht.«
    Richard wechselte den Beinüberschlag.
    Einen Moment lang war es völlig still im Zimmer.
    »Warum«, fragte Richard endlich, »haben Sie eigentlich mich unter Tatverdacht verhaften lassen?«
    »Ihr Handy am Fundort der Leiche … Hätte ich das unterschlagen sollen?«
    Richard schnaubte angewidert.
    »Das Handy wurde aber oben gefunden, nicht unten«, warf ich ein.
    »Und mit Verlaub, Herr Dr. Weber«, sagte Abele, ohne darauf einzugehen, »Ihre Erklärung, Sie hätten es auf dem Truppenübungsplatz verloren, wirft immer noch einige Fragen auf, vor allem, wenn Sie darauf bestehen, dass das Handy oben auf dem Grillplatz lag. Ja, wenn Sie es einfach dort verloren hätten.
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