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Hoehepunkte der Antike

Titel: Hoehepunkte der Antike
Autoren: Kai Brodersen
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Friedlich belagern die Achaier auf ewig die Mauern, während
     der Krieg in beiden Lagern wütet, friedlich drängen die Troer ihnen entgegen und friedlich, verhalten traurig, dass sich die
     schlimmen Wunder, die wir sehen, nicht mit Händen greifen lassen, blicken wir hinter das Skaiische Tor.

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    |25| Das Orakel in den Bergen: Delphi
    VEIT ROSENBERGER
     
    Der Parnassos, dessen Hauptgipfel eine Höhe von 2457 Meter erreicht, ist der zweithöchste Berg Mittelgriechenlands. Mehrere
     Mythen rankten sich in der Antike um den Parnassos: Deukalion soll nach der deukalischen Flut, dem griechischen Analogon zur
     Sintflut, mit seinem Schiff am Parnassos gelandet sein; da die Musen ihren Sitz auf dem Parnassos hatten, stand der Berg als
     Metapher für Dichterweihe und dichterisches Schaffen; nach einer antiken Tradition erhielt der Berg seinen Namen von Parnassos,
     einem Sohn des Poseidon. Parnassos galt als Erfinder der Weissagung aus dem Vogelflug (Pausanias 10,6,1). Dies führt zu dem
     Aspekt, dem der Berg seinen weit über Mittelgriechenland hinausreichenden Ruhm verdankte: Am Südrand des Parnassos-Massivs
     erstreckte sich, auf der einen Seite von den Felsen der zweigipfligen Phaidriaden (um 1200 Meter) malerisch eingerahmt, auf
     einer Höhe von 533 bis 600 Meter Delphi mit seinem weltberühmten Orakel.
    Die Erkundung der Zukunft und die Suche nach göttlicher Entscheidungshilfe, wohl ein Grundbedürfnis des Menschen, begegnen
     in allen Kulturen der antiken Mittelmeerwelt. Unter den zahlreichen Methoden der Divination sind Orakel Weissagungen, die
     an bestimmten Orten nach einem festgelegten Ritual und zu festgelegten Zeiten, an denen die Gottheit als anwesend gedacht
     war, erteilt wurden; zugleich bezeichnet der Begriff „Orakel“ den Ort der Weissagung. In der griechischen Welt lassen sich
     zahlreiche Orakelstätten nachweisen, von denen Delphi das höchste Ansehen besaß. Während weitere Orakelstätten wie das Apollonorakel
     in Didyma, das Zeusorakel in Dodona sowie das Orakel des Zeus/Ammon in der Oase Siwa durchaus auch überregionales Ansehen
     besaßen, existieren Dutzende Orakel mit nur lokaler Bedeutung. Die Befragung von Orakeln war im kulturellen Gedächtnis der
     Griechen tief verankert. Durch die mündliche Tradition, durch den sich ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. allmählich verbreiternden
     Strom der literarischen |26| Produktion sowie durch die sich gleichzeitig vollziehende Ausstattung der großen Orakelstätten mit Weihgeschenken festigten
     sich zunehmend die Vorstellungen über den Umgang mit einem Orakel, deren Grundaussage ebenso banal wie raffniert war: Natürlich
     kann man zweifeln, ob die Götter den Menschen Antworten erteilen, aber wer zu einem Orakel geht, hat gute Aussichten, die
     Antwort zu erhalten, die er begehrt.
    Orakel stifteten gesellschaftliche Normen und besaßen legitimatorische Qualität. Allenfalls in den oft als dunkel geltenden
     mythischen und semihistorischen Sprüchen findet sich eine Vorhersagung der Zukunft; in den gut dokumentierten Sprüchen aus
     historischer Zeit geht es um konkretere Dinge, etwa um kultische und politische Neuerungen in griechischen Städten. Unklar
     ist die Rolle Delphis bei der Großen Kolonisation (etwa 750–550 v. Chr.). Auch wenn zahlreiche Orakelsprüche den Weg gewiesen
     haben sollen, ist die tatsächliche Bedeutung Delphis nicht gesichert, da die Sprüche ebenso im Nachhinein erfunden sein können,
     um die Gründung einer Stadt religiös zu legitimieren. Delphi und die anderen Orakelstätten wurden auch von Privatpersonen
     konsultiert, etwa anlässlich von Reise, Heirat, Krankheit, Rechtsstreitigkeiten, Statusfragen sowie zur Bewältigung von Unglück,
     besonders Seuchen und Unfruchtbarkeit (Xenophon,
Anabasis
3,1,5–8).
     
     
    Die Weissagungstechnik in Delphi
     
    Kein Orakel der griechischen Welt wird in der Forschung so kontrovers diskutiert wie Delphi. Gründe dafür sind die unklare
     Quellenlage, die überragende Bedeutung des Orakels sowie – keineswegs zu unterschätzen – die malerische Lage: Kaum ein Besucher
     Delphis bleibt unbeeindruckt von der grandiosen Gebirgslandschaft, die offensichtlich immer wieder aufs Neue zu Spekulationen
     anregt. Als Orakelgeber in Delphi galt Apollon, dem auch in zahlreichen weiteren Orakelstätten diese Funktion zugeschrieben
     wurde. Seine Attribute waren der Bogen und die Lyra. Als Gott der beherrschten Spannung, die bei beiden Geräten nötig ist,
     deckte
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