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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo
Autoren: Johannes Kaul
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sind. Ich will möglichst alles über den Alltag dieser
Menschen hier erfahren, über ihre Armut und ob ich von ihnen lernen kann, ein derart bedürfnisloses Leben nicht als Zumutung zu empfinden. Ob ich in den nächsten Tagen zum Gipfel hochkomme oder nicht, ist inzwischen für mich nicht mehr wichtig. Ich spüre, dass die Menschen mir hier mehr geben können, als es mir jede Art von Gipfeltriumph vermitteln kann. Deswegen werde ich in den nächsten Stunden auch wieder mit ihnen zusammensitzen - und nicht mit den anderen Bergwanderern. Ich will den Einheimischen einfach nur zuhören, aus ihren Erfahrungen lernen.« Damit rafft Martin seine Zeichenutensilien und den Skizzenblock zusammen und verschwindet bei den einheimischen Trägern im Küchenraum.

Kleine Wunder am Berg
    Ein anderes kleines Wunder am Berg werde ich nur wenige Tage später erleben. Durch Nebelschwaden und Nieselregen kommen vier junge Frauen den rutschigen Weg von oben herunter, mit einem knappen »Good luck« und einem »Jambo« als freundliche Geste für diejenigen, die noch nach oben wollen. Erst im letzten Augenblick, als wir schon fast aneinander vorbeigegangen sind, merke ich, dass die Frauen ihre Bergstöcke nicht nur zum bloßen Abstützen auf dem Weg nach unten benutzen. Für sie sind es weit notwendigere Hilfsmittel, denn diese Frauen - eine Gruppe aus Finnland, den USA und Großbritannien - haben versucht, mit Beinprothesen auf den Kili zu kommen... und sie haben es geschafft.

    Eine von ihnen, eine BBC-Kollegin, erzählt, wie es dazu kam. Nach einer Unfallverletzung hatte sie mit ihrem bisherigen Leben eigentlich abgeschlossen. Alles war von der Trauer über den Verlust des Beins und von dem Glauben bestimmt, dass mit dem Bein ein Teil des Lebens unwiederbringlich verloren war. In dieser Situation erreichte sie die Anfrage ihrer Begleiterinnen - Frauen, die bei den Paralympics angetreten waren und nun gemeinsam den Weg auf den Kili in Angriff nehmen wollten.
    Sie haben es versucht - und erzählen mir nun überglücklich, dass sie niemals geglaubt hätten, den Aufstieg mit dieser Behinderung zu schaffen. Und doch war es ihr sehnlichster Wunsch gewesen, mit der Beinprothese auf den Kili zu kommen. Und für ihr neues Leben wüssten sie jetzt, dass sie es nicht nur geschafft hatten, ganz oben auf diesen Berg zu gelangen. Jetzt spürten sie auch, was sie mit der eigenen Kraft in ihrem Leben ausrichten könnten. Ganz leise seien sie dann auf dem Gipfel geworden. »Danke an den Kili«, sagen sie.
    Nachdenklich bleibe ich zurück: Ein kleines Wunder hat sich da am Berg ereignet. Gläubige Katholiken erhoffen sich Ähnliches vielleicht von einem Besuch im französischen Lourdes. Hier ist es zwischen dem Felsgestein und dem Eis auf 5800 Meter Höhe geschehen.
    Immer wieder tauchen Fragen auf meinem eigenen Weg dorthin auf, Fragen zwischen Wachen und Träumen, zwischen Erwartungen und Ängsten. Was werden die Einheimischen, die eigentlichen »Besitzer« und Nachbarn des Kili über uns und unser Projekt denken? Wie viel davon werden sie uns gegenüber
äußern? Denn gerade für die älteren Anwohner, die zum streng traditionell erzogenen Stamm der Chagga gehören, ist der Berg noch heute der »Heilige Berg«, dessen Götter niemand ungestraft stört. Die Jüngeren haben in den zurückliegenden Jahren zwar miterlebt, dass der Kili-Tourismus für die sonst bettelarme Bevölkerung am Fuß des Berges einige Einnahmen bringt. Doch sehen sie auch, dass das Geld der Touristen Jahr für Jahr vor allem in die Hauptstadt und andere Regionen des Landes fließt. Den eigentlichen Profit bringt der Kili den vielen, meist aus dem Ausland stammenden Tourismusmanagern; für Träger und Bergführer reicht es gerade so zum Überleben. Und die Alten aus dem Chagga-Stamm stellen dann auch heute noch die Frage, ob die auf dem Kili lebenden Götter eingegriffen haben, wenn wieder einige Zahlen über Todesfälle - meist von schlecht ausgestatteten Trägern - durchsickern.
    Erschöpfung am Kili oder Selbstüberschätzung bezüglich der Anforderungen, die der 5800 Meter hohe Berg an seine Besucher stellt: Sicherlich werden wir in den kommenden Tagen damit unsere eigenen, ganz persönlichen Erfahrungen machen. Gedankensplitter im bequemen Sitz eines Flugzeugs, das uns Stunde um Stunde unserem Ziel näherbringt: dem Berg der Götter.

Kapitel 1
    Das »Kili-Labor«
    Ein Blick durch das Schlüsselloch der Fitmacher von Hubert Schwarz

    Inzwischen hat meine »Wallfahrt« in
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