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Höhenrausch (German Edition)

Höhenrausch (German Edition)

Titel: Höhenrausch (German Edition)
Autoren: Ildikó von Kürthy
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asymmetrischen Frisuren in Cafés rum und überlegen, wie sie das Erwachsenwerden verschieben können – auf einen Zeitpunkt, wo unsereins schon in die Wechseljahre kommt und jeder Eisprung ein Grund zum Anstoßen ist.
     
    Wir sind verdammt dazu, neugierig und jung zu bleiben, immer aufgeschlossen für Neues, für Veränderungen, für Entwicklungen. Ist ja auch gut und richtig und bewahrt einen vorm Gelangweiltsein und vorm Langweiligwerden. Aber sei mal gleichzeitig offen für alles Neue und trotzdem zufrieden mit dem, was du hast. Nicht so leicht.
    Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, sieht wahrscheinlich auch mal was, was ihm besser gefällt als das, was er hat.
    Winterstiefel zum Beispiel. Wie kann man sich ärgern, wenn man bereits im August ein nicht ganz billiges Paar kauft, von dem man hundertprozentig sicher ist, dass einem im Leben nichts Besseres mehr passieren kann. Und dann siehst du im Oktober ein ähnliches Paar. Bloß schöner. Und billiger. Wenn ich glaube, die richtigen Stiefel gefunden zu haben, versuche ich, Schuhgeschäfte zu meiden, um nicht eines Besseren belehrt zu werden. Augen zu. Oder Straßenseite wechseln.
    Die Frage ist natürlich, ob man mit Lebenspartnern genauso verfahren sollte. «Unbedingt!», meinte meine Freundin Silke, als wir das Thema diskutierten. Der beste Rat ihrer Oma sei gewesen: «Wenn du einen Mann hast, und du siehst einen anderen, der dir besser gefällt, nimm die Beine in die Hand und renn weg.»
    «Aber der andere könnte doch dein Schicksal sein», wandte ich ein. «Vielleicht würdest du mit ihm viel glücklicher werden als mit dem, von dem du bis eben noch dachtest, du seist glücklich mit ihm.» Bei Winterstiefeln sehe ich einen gewissen Pragmatismus ein, aber in Sachen Liebe und Schicksal bin ich dann doch eher der romantische Typ.
    Silke war vom Standpunkt ihrer Oma nicht abzubringen.
    «Das ist vollkommen naiv. Wir sind doch wirklich alt genug, zu wissen, dass es perfekt sowieso nicht gibt. Ich weiß, dass meine Putzfrau nicht unterm Sofa wischt. Aber ich weiß auch, dass die nächste dafür vielleicht nicht bügeln kann. Niemand kann alles. Irgendwas vermisst du immer. Also nicht wechseln, nicht die Putzfrau und nicht den Mann.»
    Ich für meinen Teil habe gar keine Putzfrau, die ich wechseln könnte. Und die Frage, ob ich meinen Mann wechseln möchte, stellt sich ja nun bedauerlicherweise auch nicht mehr.
     
    Der Mann an meiner Tür sieht aus, wie ich mir den Vorstandsvorsitzenden eines börsennotierten Unternehmens vorstelle, aber Erdal scheint sich der Lächerlichkeit unserer Lage nicht bewusst zu sein. «Na, dann herzlich willkommen in der Belfortstraße», sagt er fröhlich und reicht dem Mann gedankenlos seine behandschuhte Pranke.
    Das bringt mich in Zugzwang, und der bedauernswerte Mann muss meine schmierige, cremedurchweichte Hand schütteln. Unsere Hände trennen sich mit einem leisen, anzüglichen Schmatzgeräusch – wie zwei Körper, die lange verschwitzt aufeinander gelegen haben.
    «Ich wollte fragen, ob Sie mir vielleicht mit etwas Kaffee aushelfen könnten. An alles hat meine Frau gedacht, bloß das Kaffeepulver hat sie vergessen einzupacken.»
    «Natürlich», sage ich und schlurfe betrübt mit seiner Tasse in die Küche. Natürlich ist so was verheiratet. Natürlich läuft so was nicht frei rum, klingelt freitagabends an meiner Tür, um mir trotz Hüttenschuhen für immer zu verfallen. Natürlich nicht. So einer ist ja erwachsen. Der hat den Job und die Frau fürs Leben.
    Ich weiß schon, warum ich lieber nicht mit dem Besonderen rechne.
    Weil das Besondere eben nicht passiert.
    Jedenfalls nicht mir.
    Und das Schicksal klingelt nicht an der Haustür.
    Jedenfalls nicht an meiner.
     
    «Jetzt sei doch nicht so unglücklich, Linda. Ich kann es nicht ertragen, dich so leiden zu sehen. Schon gar nicht, wenn es mir selbst so schlecht geht. Reichst du mir mal das Thunfisch-Sashimi?»
    Erdal trägt immer noch die weißen Handschuhe und tut sich demzufolge mit den Stäbchen etwas schwer.
    «Ich fürchte, ich komme nie über ihn hinweg», sage ich traurig in die Miso-Suppe.
    «Über den Herrn aus dem ersten Stock? Ein lecker Schnuckelchen, das muss ich zugeben. Ich schätze ihn auf Mitte vierzig, und er hat gute Gene, das sieht man gleich.»
    «Quatsch! Ich rede von meinem Exfreund Draco. Jetzt bin ich schon fünf Wochen in Berlin, und mein Liebeskummer ist immer noch unerträglich. Ich habe überhaupt keinen Hunger mehr.»
    «Das ist die
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