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Höhenrausch (German Edition)

Höhenrausch (German Edition)

Titel: Höhenrausch (German Edition)
Autoren: Ildikó von Kürthy
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richtige Einstellung, Linda. Du musst die Sache positiv sehen. Mir schlägt Kummer ja leider überhaupt nicht auf den Magen. Im Gegenteil. Ich bin also doppelt gestraft: Mein Freund betrügt mich mit einem anderen, ich werde vor lauter Gram immer dicker und gebe ihm so immer weniger Grund, zu mir zurückzukehren. Du hingegen näherst dich dank Liebeskummer deinem Idealgewicht. Deshalb solltest du froh sein, dass du diesen bescheuerten Typ endlich losgeworden bist.»
    «Nicht ich bin ihn losgeworden. Er ist mich losgeworden.»
    «Ach komm, das sind doch Haarspaltereien. Du weißt wenigstens, woran du bist. Die Sache ist vorbei, und du kannst anfangen, zu jammern, zusammenzubrechen, deine Freundinnen voll zu heulen – das übliche Programm eben. Und irgendwann ist es durchgestanden, und du suchst dir den Nächsten. Aber was soll ich sagen? Mich hat man aufs Abstellgleis geschoben, um mich bei Bedarf eventuell wieder hervorzuholen. Mein Freund will sich über seine Gefühle klar werden. Er sagt, er brauche Abstand von mir, weil er sich so zerrissen fühle. Ich solle Geduld haben. Das, Schätzchen, ist der Super-GAU! Mich um Geduld zu bitten, das ist doch so, als würde man einen Penner um Geld anbetteln oder eine Nonne um Sexualaufklärung anflehen. Das muss Karsten doch wissen, was er mir damit antut.»
    «Geduld ist die Tugend des Revolutionärs.»
    Ich habe den Satz von Andreas, und der hat ihn, glaube ich, von Che Guevara.
    «Wo hast du das denn geklaut? Hör mir bloß auf mit so einem angelesenen Scheiß.»
    «Deine Chancen, Karsten wiederzubekommen, steigen, wenn du ihm genau das gibst, was er haben will: Zeit. Es wird ihn beeindrucken, dass du dich ihm zuliebe so zusammenreißen kannst. Die Formel ist ganz einfach: Halt dich zurück, und du kriegst ihn zurück.»
    «Das entspricht aber nicht meinem Gemüt.»
    «Ich weiß. Trotzdem, jetzt bloß keine kopflosen Aktionen. Keine Anrufe, keine spontanen Besuche, keine Szenen. Mit Geduld ist es nicht wie mit Glück, Talent oder schwerem Knochenbau – Geduld ist eine Frage der Disziplin. Geduld kann jeder haben.»
     
    Es ist doch immer wieder erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit man Freunden Ratschläge gibt, an die man sich selbst noch nie gehalten hat.
    Geduld kann jeder haben? Wenn ich das schon höre! Dass ich so was überhaupt so schamlos über die Lippen bringe. Man kann eben wunderbar weise reden, wenn man sich nicht entsprechend verhalten muss.
    Aber so gehört sich das unter Freundinnen: Wenn du ihr sagst: «Ruf ihn bloß nicht an», ist euch beiden bereits völlig klar, dass sie sofort zum Hörer greifen wird, sobald du aus der Tür bist – so wie du es auch getan hast, als es ihre Aufgabe war zu sagen: «Ruf ihn bloß nicht an.»
    Das macht eine Frauenfreundschaft aus: sich immer wieder gegenseitig den richtigen Rat geben, sich immer wieder gegenseitig verzeihen, dass dieser Rat nicht befolgt wird, und sich immer wieder gegenseitig dabei unterstützen, die daraus resultierenden unerquicklichen Folgen zu überstehen.
     
    Erdal betrachtet bedrückt die Seetangröllchen. «Am besten bleibe ich ein paar Tage in Berlin und wohne bei meiner Mutter. In Hamburg würde ich durchdrehen. Da erinnert mich alles an Karsten. Er wohnt ja auch noch direkt bei mir um die Ecke. Das ist wie Diätmachen, und im Kühlschrank steht noch Mousse au Chocolat.»
    «Musst du denn nicht arbeiten?», frage ich, denn Erdal hatte mir erzählt, dass er seit einem Jahr Mitinhaber der Catering-Firma «Food.com» sei.
    «In den nächsten zehn Tagen haben wir nur Events bis vierzig Personen auf dem Zettel, da kann ich ruhig mal fehlen. Und bis dahin wird sich der werte Herr Karsten ja hoffentlich über sein Gefühlsleben klar geworden sein. Wehe ihm, er kehrt zu mir zurück. Dann wird dieser elende Rumtreiber büßen müssen.»
    «Vielleicht solltest du nicht komplett verdrängen, dass du Karsten auch betrügen wolltest. Du fährst nach Berlin, nennst dich Lustmolch und verabredest ein Blind Date, um ein Abenteuer zu erleben. Findest du nicht, dass du verdammt im Glashaus sitzt?»
    «Erstens habe ich kein Abenteuer erlebt, sondern nur dich kennen gelernt. Zweitens war ich in erster Linie in Berlin, um meine Mutter zu besuchen. Und drittens ist das bei mir sowieso was ganz anderes. Ich bin schlichtweg nicht der treue Typ. Ich verschenke mich eben gern. Was ist denn das für eine Show, bei der nur einer zuschaut? Karsten ist da anders. Wenn der einmal untreu ist, dann hat das
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