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Höhenrausch (German Edition)

Höhenrausch (German Edition)

Titel: Höhenrausch (German Edition)
Autoren: Ildikó von Kürthy
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das mit uns weitergehen?»
    Draco sieht aus wie der Kaminkehrer aus «Mary Poppins», aber der Dreck verleiht ihm auch einen Hauch Mechanikermännlichkeit, wie sie vielen Frauen gefällt. Schmutzige Männer sind sowieso meistens sexyer als saubere. Damit meine ich natürlich nicht jene Art Hosenboden-Müffeligkeit, die sich ergibt, wenn ein Mann im Anzug von gestern mehrere Stunden im Zug oder Flugzeug gesessen hat. Nein, der erotische Schmutz ist elementarer Natur, und deswegen werden Feuerwehrmänner, Automechaniker und Gärtner bevorzugt als Liebhaber in Serien eingesetzt, in denen sich Frauen in amerikanischen Vorstädten langweilen.
    Mein Herz antwortet meinem Exfreund ergriffen: «Ach, Liebster, bring mich zurück nach Jülich! Bring wieder Ordnung in mein zerzaustes Leben. Ich will, dass alles wieder gut wird, na ja, zumindest so gut, wie es war. Bloß kein Risiko, denn wer nichts wagt, der kann auch nichts verlieren!»
    Mein Unterleib wagt den zarten Einwand: «Aber mit Johann Berger möchte ich eigentlich schon noch ein paar Mal schlafen. Er ist zwar kein Liebhaber der Spitzenklasse, aber so schätzungsweise ein halbes Jahr lang müsste der Reiz des Neuen und des Verbotenen dieses Manko noch ausgleichen. Und, Kindchen, du bist Mitte dreißig. Was glaubst du, wie oft im Leben du noch die Gelegenheit bekommst, eine zehn Jahre jüngere Geliebte zu sein?»
    Mein Verstand mault verdrossen: «Also ich sag jetzt gar nichts mehr. In diesem Irrenhaus kennt sich doch keine Sau mehr aus!»
    Ich höre mich schließlich den Satz sagen, der doof ist, aber immer geht. Den man selbst nie zu hören bekommen möchte und schon viel zu oft gehört hat. Ich sage: «Ich brauche noch etwas Zeit.»
    Draco sieht aus wie Schweinchen Babe, als seine Mutter zum Schlachter abtransportiert wird.
    «Wie du meinst, Kleines. Ich gehe jetzt mal ’ne Runde duschen. Meinst du, zehn Minuten reichen, um dich für mich zu entscheiden?»
    Ich muss leider lachen. Ich mag Dracos Humor, bei dem man immer erst mal denkt, es handele sich um eine Unverschämtheit. Ich bin jetzt doch irgendwie außerordentlich gerührt und schenke ihm ein liebevolles Lächeln, wie es für heute eigentlich noch nicht vorgesehen gewesen war.
     
    «Silke? Bist du das?»
    «Natürlich bin ich das. Du hast mich schließlich angerufen. Warum flüsterst du so?»
    «Draco ist gerade unter der Dusche. Ich möchte nicht, dass er uns hört.»
    «Ach, unter der Dusche? Da seid ihr ja schnell zur Sache gekommen.»
    «Es ist anders, als du denkst. Er hat mich gerade gefragt, wie es mit uns weitergehen soll.»
    «Und was hast du gesagt?»
    «Dass ich Zeit brauche.»
    «Und was hast du wirklich gedacht?»
    «Ich komme mit dem Denken leider nicht mehr hinterher. Zwei Männer stellen mir die Frage, die ich mir verkneife, seit ich sprechen gelernt habe: Das ist zu viel für mich! Ich überlege, mich krankschreiben und in ein Sanatorium einweisen zu lassen.»
    «Mit welchem Befund? Durchgedreht aufgrund der Qual der Wahl? Wissen die beiden eigentlich voneinander?»
    «Natürlich nicht. Ich glaube, dass Johann Berger kein Befürworter offener Affären ist. Er ist ja doch eher der konservative Beziehungstyp, der zwar gerne mehrere Frauen hat, jede einzelne von ihnen aber ungern teilt.»
    «Glaubst du, er hat noch andere Geliebte?»
    «Das wäre ja noch schöner! So was würde ich auch nicht mitmachen. Ich habe ihm deutlich gesagt, dass er mir und seiner Frau unbedingt treu sein muss.»
    «Das finde ich wirklich ganz toll, dass du in diesem Punkt so konsequent bist. Ansonsten kann man ja nicht sagen, dass du derzeit eine gerade Linie verfolgst.»
    «Ich denke, ich lasse die Sache einfach mal auf mich zukommen, oder?»
    «Genial! Dass du darauf nicht früher gekommen bist!»
    «Sei jetzt bitte nicht sarkastisch. Was ist eigentlich mit deinem Sohn? Hast du ihm das Cinderella-Kostüm ausreden können?»
    «So würde ich das nicht formulieren. Ich habe ihm gesagt, wenn er sich nicht gefälligst als Cowboy verkleidet, kommt der Weihnachtsmann in diesem Jahr nicht.»
    «Ist das pädagogisch gesehen nicht etwas intolerant?»
    «Na und? Ich bin ausgesprochen gern intolerant. Und bei wem soll ich denn bitte schön intolerant sein, wenn nicht meinen eigenen Kindern gegenüber? Sonst ist es ja überall verboten. Ich finde … Was war das denn?»
    «Es hat geklingelt. Keine Ahnung, wer das ist. Erdal vielleicht, aber der müsste eigentlich in Hamburg sein. Hoffentlich ist nicht wieder was mit Karsten.
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