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Hochzeit auf griechisch

Hochzeit auf griechisch

Titel: Hochzeit auf griechisch
Autoren: Jacqueline Baird
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abfälligen Kommentare.
    „Da wissen Sie scheinbar mehr als ich“, erwiderte er und musterte sie eingehend.
    Sie senkte den Kopf, damit er die Angst nicht in ihren Augen lesen konnte. Es sah Helen gar nicht ähnlich, sich so zu verplappern.
    „Dazu kann ich nichts sagen.“ Sie zuckte leicht und – wie sie hoffte – nonchalant, die Schultern. „Aber ganz offensichtlich hat Delia ihre Meinung über Nicholas geändert, sonst wären Sie nicht hier. Als ich vor ein paar Wochen mit ihr sprach, hat sie nichts dergleichen angedeutet. Und soweit ich weiß, hat sie immer noch nicht die Absicht, diesen Cousin zu heiraten. Delia hat der Verlobung nur zugestimmt, um ihren Vater bei Laune zu halten – bis zu ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag im Mai, wenn sie das Erbe ihrer Mutter antritt. Wenn ihr Vater dann keine Macht mehr über sie hat, wird sie der ganzen Welt von ihrem Kind erzählen.“
    „Diese Chance wird sie nie bekommen“, erwiderte er hart.
    „Delia hatte absolut recht, was Sie angeht!“, rief Helen.„Sie sind …“
    „Delia ist tot, genauso wie mein Vater“, unterbrach er sie brüsk. „Sie hatten einen Autounfall.“ Er sprach vollkommen emotionslos, als hätte er die Worte schon unzählige Male zuvor aufgesagt. „Mein Vater war sofort tot, Delia ist ein paar Stunden später im Krankenhaus gestorben, ohne noch einmal das Bewusstsein zu erlangen.“
    In ohnmächtigem Schweigen starrte Helen ihn an. Sie konnte es einfach nicht glauben, sie wollte es nicht glauben.
    „Tot … Delia ist tot“, murmelte sie. „Das ist unmöglich.“
    „Der Unfall ereignete sich am fünfzehnten Januar. Drei Tage später fand die Beerdigung statt.“
    Plötzlich, als würde eine mächtige Woge des Grauens auf sie einstürzen, erkannte Helen mit fassungsloser Klarheit, dass Leon Aristides die Wahrheit sagte. Das Herz zog sich schmerzhaft in ihrer Brust zusammen. Um gegen die brennenden Tränen anzukämpfen, schloss Helen die Augen. Doch es war vergebens. Salzige Tränen liefen ihr über die Wangen. In einem verzweifelten Versuch, sich zusammenzunehmen, verschränkte sie die Arme.
    Delia, die wunderschöne und mutige Delia, ihre Freundin und Vertraute … tot.
    Sie erinnerte sich noch genau an den Moment, in dem sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Das extrovertierte griechische Mädchen und die schüchterne zurückhaltende Engländerin.
    Helen war erst vierzehn gewesen, als ihre Eltern bei einem Skiunfall ums Leben kamen. Damals hatte ihr Vater als IT-Berater für eine Schweizer Bank in Genf gearbeitet. Am Wochenende war die kleine Familie zu einem Ausflug in die Alpen aufgebrochen. Eine Lawine hatte die Eltern unter sich begraben und Helen gegen einen Baum geschleudert. Erst Stunden später war sie gerettet worden. Ihr Beckenwar gebrochen, und sie hatte ihr Augenlicht verloren. Ob die Blindheit von den langen Stunden im gleißend weißen Schnee herrührte oder eine psychische Reaktion war, ließ sich nicht mit Sicherheit feststellen. Helen hatte den Tod ihrer Eltern mit ansehen müssen.
    Sie kehrte nach England zurück und lebte bei ihrem Großvater. Ganz langsam besserte sich ihr Zustand. Schließlich konnte sie sogar wieder zur Schule gehen, als Tagesschülerin ins nahegelegene Internat. Obwohl sie zwei Jahre älter war als die anderen, besuchte sie dieselbe Klasse wie Delia. Sie machte sich für sie stark, als die Klassenkameraden Helen wegen der getönten Brille hänselten, die sie damals noch hatte tragen müssen. Von diesem Tag an waren die beiden Mädchen Freundinnen. Die Wochenenden verbrachte Delia oft bei Helen und ihrem Großvater.
    Seit einem Schlaganfall war der alte Mann an den Rollstuhl gefesselt. Auch als Helen das Internat verließ, um sich um ihren Großvater zu kümmern, besuchte Delia die beiden regelmäßig. Während sie in London studierte, hielten sie Kontakt per Telefon und E-Mail. Zwei Jahre später stand eine blasse und traurige Delia unerwartet vor Helens Tür.
    „Offensichtlich ist diese Nachricht ein Schock für Sie, und es tut mir sehr leid, Sie in Ihrer Trauer zu stören“, unterbrach eine dunkle samtige Stimme, die ganz und gar nicht mitfühlend klang, Helens Gedanken. „Aber ich bin hergekommen, um meinen Neffen zu sehen und über seine Zukunft zu sprechen.“
    Die Lippen zusammengepresst, hob Helen den Kopf. Seine eisige Miene ließ sie zusammenzucken. Wenn dieser Mann den Verlust von Vater und Schwester betrauerte, ließ er sich nichts davon anmerken. Er wirkte hart wie Granit.
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