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Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)

Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Jochen Frech
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brauchten einen konkreten Anhaltspunkt für die Suche nach dem Tatverdächtigen und seinem möglichen Opfer. Noch war nicht klar, ob Sander etwas mit dem Verschwinden von Gerd Jessen zu tun hatte. Wieder dachte er an den Satz seines Dozenten an der Fachhochschule.
    Man sieht nur, was man weiß.
    Kepplinger war sicher, dass er jedes Detail der bisherigen Akten kannte. Neu war die Vorstellung, der Tod Manuelas könnte eine Art Racheakt für einen Unfall sein, der sich vor sechzehn Jahren ereignet hatte. Ebenso neu war die Verbindung zwischen Gerd Jessen und seinem alten Kegelfreund Erich Sander, der seit dem Unglück an Wahnvorstellungen litt. Er hatte keine Vorstellung davon, wie es sich anfühlte, ein Kind zu verlieren, sosehr er versuchte, sich in diese Situation hineinzuversetzen. Susanne Jessen hatte erzählt, dass das Kind bei einem Versteckspiel von der Burgmauer gestürzt war. Wie groß war die Schuld von Gerd Jessen tatsächlich? Strafrechtlich hatte der Vorfall sicherlich keine Relevanz. Aber welche moralische Schuld blieb in so einem Fall zurück? Gerd Jessen hatte offenbar all die Jahre unter dieser Last gelitten. Seine Bemühungen um Wiedergutmachung waren missglückt. Aber was hätte er besser machen können?
    Und Erich Sander? Er hatte oft gehört, dass Ehen in die Brüche gingen, wenn ein gemeinsames Kind zu Tode kam. Machte er Gerd Jessen auch dafür verantwortlich? Es gelang ihm nicht, sich in die Gedankenwelt Erich Sanders einzufühlen. Bei allem Schicksal, das Sander und seiner Familie widerfahren war, endete seine Vorstellung bei den Gedanken an Trauer, Wut und Schmerz. Aber sechzehn Jahre nach dem Unglück die Tochter seines ehemaligen Freundes umzubringen, dafür fehlte ihm jedes Verständnis. Das konnte nicht das einzige Motiv sein. Alexander Giebel sprach davon, der Unfall der Tochter sei möglicherweise nur ein Auslöser gewesen. Es musste noch etwas anderes in Sanders Vergangenheit vorgefallen sein. Etwas, das ihn zu diesem wahnsinnigen Hass gebracht hatte. Kepplinger wurde klar, dass er so nicht weiterkam, und er dachte daran, in welchem Zustand sich Jessen am Vormittag befunden hatte. Ohne fremde Hilfe hätte er nirgends hingehen können. Der Aussage seiner Freundin nach waren alle persönlichen Gegenstände in der Wohnung zurückgeblieben. Sander musste etwas mit dem Verschwinden von Jessen zu tun haben. Da war er sich nun sicher. Aber was hatte er mit ihm vor?
    Er erschrak, als das Motorengeräusch mit einem Mal verstummte. Immer noch trommelte der Regen unvermindert auf das Autodach. Das gebrochene Nasenbein bereitete ihm Höllenschmerzen. Mühsam atmete er durch den Mund. Mehrere Minuten passierte nichts, während sich die Ungewissheit ins Bodenlose steigerte. Was hatte Erich Sander mit ihm vor? Er wagte noch immer nicht zu fragen. Er war sicher, es früh genug zu erfahren. Neben ihm raschelte es.
    »Wo sind wir?«
    Keine Antwort.
    Plötzlich spürte er einen Stich im Oberschenkel.
    »Damit du die Schmerzen nicht mehr so spürst«, hörte er Erich Sander sagen.
    »Was … hast du mir da gegeben?«
    Sein Widersacher lachte höhnisch.
    »Ich habe es dir doch gesagt«, antwortete er gefühlskalt. »Nur ein kleines Beruhigungsmittel.«
    Tatsächlich ließen die Beschwerden von einer Sekunde auf die andere nach. Doch dieser Umstand beruhigte ihn nicht im Geringsten.
    Kurze Zeit später hörte er, wie Sander den Wagen verließ.
    »Was tust du?«, brüllte er.
    Es blieb still.
    Er spürte, wie ihn die Müdigkeit übermannte. Jetzt wurde ihm klar, wie Sander ihn zu Hause hatte überwältigen können und warum er sich die ganze Zeit in einer Art Trancezustand befand. Er durfte nicht einschlafen. Vielleicht würde er dann wie Manuela nie wieder aufwachen.
    Wohin war Sander gegangen?
    Er überlegte, welche Möglichkeiten sich ihm für eine Flucht boten. Trotz der Augenbinde und der gefesselten Hände. Wenn ich fest genug ziehe, wird das Seil reißen, dachte er.
    Jessen biss auf die Zähne und zerrte wie von Sinnen an der Fesselung.
    Im nächsten Moment wurde die Beifahrertür aufgerissen.
    Lea Thomann stieß die Tür zu seinem Büro auf. Er zuckte vor Schreck zusammen.
    »Moritz, komm!« Ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. Sie mussten etwas entdeckt haben.
    Er folgte ihr eilig in das Büro von Markus Ackermann. Gebannt starrten die Kollegen auf den Computerbildschirm. Kepplinger bahnte sich einen Weg an den Kollegen vorbei.
    »Habt ihr etwas herausgefunden?«
    Markus Ackermann deutete auf den
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