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Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi
Autoren: Jörg Maurer
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dort war er fest engagiert, seit Jahren schon, man konnte sich ein Neujahrsspringen ohne seine Zitheruntermalung gar nicht mehr vorstellen. Seine Gage war stattlich, aber dafür war er auch zum Schweigen verdonnert.
     
    Er war bekannt und beliebt bei den Großen dieser Welt, und mancher Tycoon, Krösus und Alpha ließ sich mit ihm ablichten, als Maskottchen sozusagen. Der Zither Beppi behauptete, mit dem und dem per Du zu sein, aber so richtig zuverlässig waren seine Geschichten auch wieder nicht, viele der Erzählungen waren zusammengeschraubte oder ganz erfundene Erinnerungen eines hochmusikalischen und phantasievollen Hirns. Kamen noch ein paar Halbe Bier dazu, glitten seine Possen durchaus in den Bereich des Phantastischen. Sehr oft erzählte er die Geschichte, wie er dem Papst beim Neujahrsspringen Gstanzln vorgespielt hat, sozusagen von Beppi zu Beppi. Der Heilige Vater hätte ihn dann nach Rom eingeladen, und da wäre er auch hingefahren und hätte in den päpstlichen Lustgärten von Castel Gandolfo gewohnt.
    »Ja und? Was hast du dann da gespielt?«
    »Ja, was werd ich da gespielt haben:
Highway to hell
natürlich, und grad lustig war’s!«
    Ganz von der Hand weisen konnte man die Geschichte
nicht, denn der Zither Beppi war zur fraglichen Zeit tatsächlich eine Woche weg gewesen, aber andere sagten, er hätte in dieser Zeit in der Nähe von Lermoos einen Riesenfetzen Rausch ausgeschlafen.
    Aber beim diesjährigen Neujahrsspringen war der Zither Beppi dabei gewesen, in der VIP -Lounge hatte er gezithert, aber diesmal eben nicht lange, dann war ja der Unfall passiert.
    »Der Ministerpräsident ist da gewesen, der Beckenbauer, der Jacques Rogge, Marianne und Michael – alle halt. Auch ein paar, die ich jetzt nicht nennen kann.«
    »Ach komm, sag einen!«
    Doch der Zither Beppi hielt sich an die Vereinbarungen. Die Prominenten wären herumgelaufen wie verrückt, und er wäre höflich gebeten worden, sich draußen zur Verfügung zu halten.
    »Rausgeschmissen werden sie dich halt haben!«, rief der Glasermeister Pröbstl, der immer zusammen mit seiner Gattin hierherkam. Die hakte nach:
    »Und von dem Unfall selbst hast du nichts mitbekommen?«
    Nein, das hätte er nicht, er hätte mit dem Rücken zum Fenster gesessen und gerade
Schenkt man sich Rosen in Tirol
gespielt, in A-Dur auch noch, was einige Konzentration verlangt, bei der Textstelle
Mir winket neues Liebesglück!
wäre der Unfall wohl passiert.
    »Ich habe aber eine Vermutung«, sagte der kleine Zitherer. »Ich habe nämlich ein paar Gesprächsfetzen mitbekommen. Von einem
Materialfehler
war da die Rede und der
falschen Legierung
, und der Chef von der Skifirma, der dabeigestanden ist, ist ganz blass geworden und hat etwas von
ausgerechnet jetzt … ausgerechnet vor dem Börsengang so ein Unfall
gemurmelt.«
     
    »Ich weiß eben nicht, ob
Unfall
der richtige Ausdruck ist«, mischte sich der Angerer Willi wieder ein. »Ich habe mir die
Bilder im Fernsehen immer und immer wieder angeschaut. An einen Materialfehler glaube ich nicht. Ich weiß jetzt, wie es passiert ist.«
    »Wie ist es dann passiert?«
    »Am höchsten Punkt der Flugkurve reißt es ihm den rechten Ski ein bisschen weg –«
    »War es vielleicht doch eine Windbö?«, unterbrach ihn der Penck Manfred, ein studierter Psychologe, der gerade eine Praxis für Mediation und Konfliktlösung im Kurort aufgemacht hatte, die angeblich total überlaufen war.
    »Nein«, fuhr der Angerer fort, »der Ski hat sich so bewegt, als ob etwas hingeschlagen wäre, was man auf den Videos nicht sieht, weil es so klein ist.«
    »Ein kleines Vogerl vielleicht?«, meinte einer.
    »Wie damals in Oberstdorf, 1959?«, flüsterte ein anderer.
    »Oder Squaw Valley, 1960?«, setzte ein Dritter drauf.
    Einige kicherten. So ein Deppenhaufen, dachte der Angerer. Solche Banausen, solche blutigen Laien, die absolut keine Ahnung vom Skispringen haben, die sich vor Angst in die Hosen machen würden, wenn sie nur da oben stünden. Laut sagte er:
    »Nein, ich hab da eine ganz andere Theorie.«
    »Jetzt sind wir aber alle gespannt.«
    »Es war ein Schuss. Der Sørensen ist beschossen worden.«
    Erst war alles ruhig, ein paar schmunzelten, verstohlen, denn er war ja immerhin der Oberforstrat, dann aber prustete der eine oder andere los, schließlich gab es ein infernalisches Gelächter in der Bäckerei Krusti, das dazu führte, dass der Angerer, der Grünrock, der Jäger aus Kurpfalz, beleidigt aufstand, seine Zeche auf den Tisch
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